Bei der Nutzung von Social Plastic gibt es noch viel Entwicklungspotenzial. Das betont Prof. Dr. Thomas Müller-Kirschbaum, stellvertretender Vorsitzender des Sustainability Councils von Henkel, im Gespräch mit dem packaging journal. Gerade erst hat der Düsseldorfer Konsumgüterkonzern die Kooperation mit der Plastic Bank verlängert.
pj: Herr Prof. Dr. Müller Kirschbaum, Henkel gehört seit 2017 zu den Pionier-Kooperationspartnern der Plastic Bank. Was ist Ihre Motivation dabei?
Prof. Dr. Thomas Müller-Kirschbaum: Richtig, wir waren das erste globale Konsumgüterunternehmen, das mit Plastic Bank zusammenarbeitet. Der Ansatz hat uns sofort überzeugt. Denn David Katz und sein Team gehen gleich zwei wichtige globale Herausforderungen an: Plastikabfall in der Umwelt zu reduzieren und verbesserte Lebensbedingungen für Menschen in Armut schaffen.
Die Kooperation passt sehr gut in unser Engagement für eine Kreislaufwirtschaft. Schließlich hat das Thema Nachhaltigkeit für Henkel schon seit Jahrzehnten einen hohen Stellenwert. Plastikabfall, der in der Umwelt landet, ist sicherlich eine der größten globalen und gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen. Und die können wir nur gemeinsam meistern, wenn Unternehmen der gesamten Verpackungswertschöpfungskette, Politik und Gesellschaft zusammenarbeiten. Da sind frische Ideen, Innovationen und Kooperation gefragt.
pj: Die Plastic Bank betreibt Projekte in Haiti, Indonesien, auf den Philippinen und zukünftig in Ägypten. Henkel unterstützt die Organisation unter anderem beim Aufbau von Lieferketten, um die gesammelten Kunststoffabfälle zu recyceln und wieder in die Wertschöpfungskette zu integrieren. Worum geht es da konkret?
Prof. Dr. Thomas Müller-Kirschbaum: Plastic Bank hat sich das Ziel gesetzt, Armut zu reduzieren und gleichzeitig zu verhindern, dass Plastikabfall in Gewässer oder Ozeane gelangt – und das vor allem in Ländern, in denen es keine ausreichende Infrastruktur für Abfallwirtschaft gibt.
Das Prinzip funktioniert so, dass die lokale Bevölkerung Plastik sammelt und dieses in Sammelcentern von Plastic Bank gegen Geld oder andere Leistungen eintauschen kann. Plastikmüll erhält so einen Wert. Das gesammelte Plastik wird dann wieder der Recycling-Wertschöpfungskette zugeführt, aufbereitet und kann als sogenanntes Social Plastic in Produktverpackungen genutzt werden.
Plastic Bank: Plastikmüll als wertvolle Währung
„Unsere Ozeane versinken im Plastikmüll“, warnte der World Wide Fund for Nature (WWF) zum Jahresbeginn. Bis zu 12,7 Millionen Tonnen „Marine Litter“ gelangen jedes Jahr ins Meer. Die „Plastic Bank“ kämpft dagegen an und verbindet das Sammeln von Plastikmüll mit Entwicklungsprojekten in den ärmsten Weltregionen.
Gegründet wurde die Plastic Bank 2013 von den Kanadiern David Katz und Shaun Frankson. Das Sozialunternehmen engagiert sich in Ländern wie Haiti, den Philippinen, Indonesien oder Ägypten. Dort werden Sammelzentren erreichtet, in denen die Menschen eingesammelten Plastikmüll abliefern. Dafür erhalten sie Bargeld oder Sachleistungen – Nahrungsmittel, Kleidung oder auch Energiekontingente, um den Handyakku zu laden oder den Gaskocher zu betreiben. „Damit wird Plastik zur Währung“, bringt es die Wirtschaftswoche auf den Punkt.
Die Altkunststoffe werden werden sortiert, granuliert und zu „Social Plastic“ recycelt. Insgesamt produzierte die Plastic Bank nach eigenen Angaben bis 2020 mehr als acht Millionen Kilogramm Social Plastic.
Einer der ersten Kooperationspartner war 2017 Henkel. Gerade wurde die Kooperation um fünf Jahre verlängert. Die Düsseldorfer wollen rund 400 neue Sammelstellen in Ägypten einrichten. „Das schafft zusätzliche Kapazitäten von bis zu 5.000 Tonnen pro Jahr“, freut sich Prof. Dr. Thomas Müller-Kirschbaum, Co-Vorsitzender des Sustainability Councils von Henkel.
Auch der deutsche Discounter Aldi kooperiert mit der Plastic Bank und hat bereits Henkel-Produkte aus Social Plastic als Aktionsware angeboten.
pj: Im Jahr 2020 will Henkel mehr als 600 Tonnen Social Plastic in seinen Verpackungen einsetzen. Im Nachhaltigkeitsbericht 2018 geben Sie an, dass die Plastic Bank in den von Henkel geförderten Sammelcentern bis Ende 2018 insgesamt 63 Tonnen Plastik eingesammelt habe. Wie wurde die deutliche Erhöhung der Social-Plastic-Menge erreicht?
Prof. Dr. Thomas Müller-Kirschbaum: Angefangen haben wir in Haiti – einem Land, das quasi keine Abfall-Infrastruktur hat und eines der ärmsten Länder der Welt ist. Durch uns unterstützt, hat Plastic Bank dort drei neue Plastik-Sammelcenter gebaut. Ende letzten Jahres haben wir bekannt gegeben, dass wir unsere Partnerschaft nicht nur um fünf Jahre verlängern, sondern auch deutlich ausweiten.
Wir unterstützen weitere Projekte in noch mehr Ländern, in Haiti, Indonesien, auf den Philippinen – und in Ägypten, wo Plastic Bank bisher noch nicht aktiv war. Ziel ist es, die Verfügbarkeit von Social Plastic als Ressource für Verpackungen zu erhöhen. Dann können auch wir mehr Social Plastic in unseren Produktverpackungen einsetzen.
Allein in Ägypten werden durch unser Engagement rund 400 neue Sammelstellen errichtet. Das schafft zusätzliche Kapazitäten von bis zu 5.000 Tonnen pro Jahr. Die Menge entspricht einer Milliarde Flaschen über den Zeitraum von fünf Jahren.
pj: Zum Sommer 2019 sollten alle PET-Flaschenkörper der Pro-Nature-Reinigungsmittel der Marken Biff, Pril und Sidolin sowie des Waschmittels Vernel zu 100 Prozent aus Altplastik bestehen. Social Plastic sollte dabei einen Anteil von einem Viertel ausmachen. Bei weiteren Verpackungen soll sogar zur Hälfte Social Plastic eingesetzt werden. Müssen dafür besondere produktionstechnische Voraussetzungen geschaffen werden? Stichwort: mangelhafte Reinheit von Social Plastic wie auch von Post Consumer Plastic?
Prof. Dr. Thomas Müller-Kirschbaum: Hier sprechen Sie direkt zwei Aspekte an: Tatsächlich bestehen schon viele unserer Produktverpackungen aus 100 Prozent recyceltem Plastik, zum Beispiel alle Pril-Flaschen in Deutschland. 99 Prozent des Rezyklats, das wir verwenden, ist Post-Consumer-Material.
Im Sommer letzten Jahres haben wir die von Ihnen angesprochenen Produktverpackungen auf den Markt gebracht, die bis zu 50 Prozent aus Social Plastic bestehen. Allein im Bereich Wasch- und Reinigungsmittel haben wir so schon in mehr als fünf Millionen Verpackungen Social Plastic eingesetzt.
Unsere größte Herausforderung war hierbei, eine Wertschöpfungskette vom gesammelten Plastik bis hin zu hochwertigem Rezyklat aufzubauen. Dabei war uns wichtig, möglichst viel Wertschöpfung in dem Ursprungsland zu belassen. Zusammen mit unseren Partnern ist es uns gelungen, eine Rezyklat-Qualität herzustellen, die sich nicht von konventionellem Rezyklat unterscheidet.
pj: Gibt es Produktgruppen im Henkel-Portfolio, für die der Einsatz von Social Plastic nicht infrage kommt?
Prof. Dr. Thomas Müller-Kirschbaum: Derzeit ist Social Plastic ausschließlich für PET-Verpackungen unserer Produkte verfügbar. Wir arbeiten jedoch daran, Social Plastic zukünftig auch in weiteren Verpackungsmaterialien einsetzen zu können.
pj: 51 Prozent aller Produktverpackungen bei Henkel bestehen laut Nachhaltigkeitsbericht 2018 aus Kunststoff. Dies entsprach etwa 400.000 Tonnen. Laut der Henkel-Verpackungsziele soll der Anteil recycelten Kunststoffs in den Verpackungen in Europa bis 2025 auf 35 Prozent steigen. Kann dieser Bedarf überhaupt durch Post-Consumer-Rezyklat oder Social Plastic gedeckt werden?
Prof. Dr. Thomas Müller-Kirschbaum: Tatsächlich liegt die größte Herausforderung in der Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigem Rezyklat. Hier muss sich noch viel tun. Denn es fängt schon damit an, dass es in vielen Ländern der Welt keine richtige Abfallinfrastruktur gibt.
Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft kommt es auf alle Beteiligten an. Deshalb arbeiten wir eng mit unseren Partnern entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammen, um – gerade global gesehen – einen Markt aufzubauen und so die Verfügbarkeit des Materials weiter zu erhöhen.