Die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zur Eindämmung haben die deutsche Wirtschaft in die mit Abstand tiefste Rezession ihrer Nachkriegsgeschichte gestürzt. Basierend auf einer Reihe von Annahmen über den weiteren Verlauf der Pandemie sowie über Tempo und Dauer der konjunkturellen Erholung, erwartet das ifo Institut für die deutsche Wirtschaft aber einen Aufstieg aus dem Corona-Tal.
Das Bruttoinlandsprodukt dürfte nach einem Rückgang im ersten Vierteljahr 2020 in Höhe von 2,2 Prozent im zweiten Vierteljahr noch einmal um schätzungsweise 11,9 Prozent geschrumpft sein. In Folge der deutlich sinkenden Neuinfektionszahlen wurden die Shutdown-Maßnahmen mittlerweile gelockert oder für manche Wirtschaftsbereiche ganz aufgehoben. Damit gilt als sicher, dass die konjunkturelle Talfahrt gestoppt wurde und die Erholung der wirtschaftlichen Aktivität einsetzte. „Von nun an geht es schrittweise wieder aufwärts“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser anläßlich der ifo Konjunkturprognose Sommer 2020.
Bedingt durch die niedrige Produktion an Waren und Dienstleistungen während des Shutdown fallen die Zuwachsraten mit 6,9 Prozent und 3,8 Prozent im dritten und vierten Quartal kräftig aus. Dennoch wird die Wirtschaftsleistung im Durchschnitt dieses Jahres voraussichtlich um 6,7 Prozent niedriger sein als im Jahr 2019. Im kommenden Jahr dürfte das Bruttoinlandsprodukt dann wieder um 6,4 Prozent wachsen.
„Alle Prognosen sind derzeit mit großen Unsicherheiten behaftet, denn sie beruhen auf Annahmen über den weiteren Pandemieverlauf und die politischen Reaktionen darauf. Es ist nicht zu erwarten, dass wir den alten Wachstumspfad schon bald wieder erreichen, so als hätte es die Krise nie gegeben. Wir gehen davon aus, dass die Wirtschaftsleistung erst Ende 2021 das Niveau von 2019 wieder erreichen wird.“ Clemens Fuest, ifo-Präsident.
Coronakrise hinterlässt tiefe Spuren am Arbeitsmarkt
Die Zahl der Erwerbstätigen dürfte im Jahresdurchschnitt in diesem Jahr um etwa 450.000 unter ihrem Vorjahreswert liegen. Gleichzeitig steigt die Zahl der Arbeitslosen um durchschnittlich etwa 430.000 auf 2,7 Millionen. Dabei dürfte der Hochpunkt im dritten Quartal 2020 bei etwa 3 Millionen Arbeitslosen liegen.
Konjunkturpaket stabilisiert Konsumausgaben
Nach Einschätzung des ifo Instituts dürfte sich in der zweiten Jahreshälfte 2020 der private Konsum wieder stabilisieren, da insbesondere die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung positive Impulse liefert. Die schlechtere Einkommenslage der privaten Haushalte aufgrund von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit könnte hier zunächst noch dämpfend wirken. Damit werden die Konsumausgaben im kommenden Jahr noch nicht wieder das Vorkrisenniveau erreichen.
Einbrechende Unternehmensinvestitionen
Die Unternehmensinvestitionen werden in diesem Jahr voraussichtlich um 10,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr einbrechen; insbesondere die Investitionen in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge dürften massiv gesenkt werden. Hohe Unsicherheit und starke Einbrüche bei den Unternehmensgewinnen stehen einer allzu kräftigen Erholung entgegen, auch wenn mit der weltweiten Konjunkturbelebung die Nachfrage nach Investitionsgütern wieder steigen dürfte.
Im Staatshaushalt werden die Spuren der Coronakrise deutlich sichtbar sein: Der Saldo von Einnahmen und Ausgaben rutscht von plus 50,4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf minus 175,8 in diesem Jahr. Hierfür sind neben dem Konjunktureinbruch vor allem das Corona-Hilfspaket und das Konjunkturpaket verantwortlich, die allein über 160 Mrd. Euro kosten. Im kommenden Jahr wird der Staatshaushalt mit minus 76,5 Milliarden Euro weiter in den roten Zahlen sein.
Deutsche Wirtschaft – es geht wieder aufwärts
„Der Einbruch ist der stärkste, seit Beginn der Vierteljahresrechnung im Jahr 1970 gemessene Rückgang in Deutschland. Er ist mehr als doppelt so groß wie jener während der Weltfinanzkrise im ersten Quartal 2009.“ Timo Wollmershäuser, ifo-Konjunkturchef.
Dennoch werde sich im kommenden Jahr die Erholung fortsetzen. Die Produktionslücke dürfte sich im Zuge der Erholung allmählich schließen und im Jahresdurchschnitt bei -1,1 Prozent liegen. Somit bleibt die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr weiterhin unterausgelastet. Die Prognose berücksichtigt, dass die im Rahmen der Potenzialschätzung bestimmten Produktionskapazitäten im kommenden Jahr als Folge steigender Unternehmensinsolvenzen um etwa 2 Prozent oder reichlich 60 Mrd. Euro niedriger liegen als bei der letzten Schätzung vor Ausbruch der Coronakrise im Dezember 2019.
Kräftige Impulse von der Finanzpolitik
Die finanzpolitischen Rahmenbedingungen sind wesentlich durch die im Zuge der Coronakrise beschlossenen staatlichen Maßnahmenpakete geprägt. So führt das Corona-Hilfspaket vom Frühjahr für sich genommen im laufenden Jahr zu einem expansiven Impuls in Höhe von mehr als 77 Mrd. Euro. Das im Juni beschlossene Konjunkturpaket wird den fiskalischen Impuls um weitere 87 Mrd. Euro verstärken. Darüber hinaus werden die weiteren finanzpolitischen Maßnahmen den expansiven Impuls nur noch um 26 Mrd. Euro erhöhen. Alles in allem ergibt sich daraus ein deutlich expansiver fiskalischer Impuls in Höhe von über 190 Mrd. Euro für das Jahr 2020.
Quelle: ifo Institut