Die diesjährige Branchenumfrage unter den IPV-Mitgliedsunternehmen bot ein ernüchterndes Bild. Rund 67 Prozent der Unternehmen klagten über einen spürbaren Umsatzrückgang. IPV-Vorstandssprecher Jens Vonderheid und Geschäftsführer Karsten Hunger geben einen Einblick in die aktuelle wirtschaftliche Situation der Verpackungsindustrie und zeigen die erschwerten Wettbewerbsbedingungen in Deutschland auf.
IPV-Vorstandssprecher Jens Vonderheid schaut mit Sorgen auf die aktuelle Entwicklung: „Das Jahr 2024 ist leider etwas zu entspannt, deutlich weniger Anfragen und dementsprechend auch weniger Aufträge. Und das höre ich aus vielen Branchen in unserer Region.“ Zusammen mit IPV-Geschäftsführer Karsten Hunger analysiert er die aktuelle wirtschaftliche Situation seiner Branche. Karsten Hunger hat Hoffnung: „Die Konjunkturschwäche schlägt sich weiterhin in einer allgemeinen Kaufzurückhaltung nieder. Aber immerhin scheint seit einiger Zeit der Boden erreicht zu sein, die Nachfrage stabilisiert sich.“ Beide sind sich aber einig, dass bereits leichte Verschlechterungen der Rahmenbedingungen diesen Trend sofort gefährden können. Die deutsche Wirtschaft hat grundsätzlich mit erschwerten Wettbewerbsbedingungen zu kämpfen. Die Verpackungsindustrie trifft das besonders.
“One in – one out”-Regel wird missachtet
Die 2015 eingeführte „One in – one out“ Regel, welche die ausufernde Bürokratie der Behörden bremsen soll, werde konsequent missachtet. So sei seit mehreren Jahren keinerlei Anstrengung der Politik mehr zu beobachten, dieses Prinzip weiter zu verfolgen. Dass es anders geht, habe die Politik kurzzeitig während der Corona-Pandemie gezeigt. Um Lieferketten aufrecht zu erhalten, wurden Prozesse beschleunigt und liberalisiert. Davon sei mittlerweile fast alles wieder zurückgenommen und neuen Überregulierungen gewichen. Mit schwerwiegenden Folgen für die deutsche Wirtschaft, konstatiert Jens Vonderheid aus der Sicht eines Unternehmers, er ist Geschäftsführer der Hera Papierverarbeitung.
“Ich sehe uns nicht mehr in der Situation, dass wir in allem die Vorreiter sein müssen. Da viele Länder bei diesen Regulierungen noch nicht mitziehen, haben wir einen sehr starken Wettbewerbsnachteil. In Europa muss gelten: Wenn etwas beschlossen wird, dann auch wirklich für alle EU-Länder, zur gleichen Zeit und im gleichen Maße. Die Zahl der „Industriefluchtfirmen“ ins günstigere europäische Ausland steigt bereits jetzt rapide an. Und der Trend wird weiter zunehmen.“
Jens Vonderheid, IPV-Vorstandssprecher und Geschäftsführer der Hera Papierverarbeitung
Aus Sicht des IPV werden der forcierten Dekarbonisierung in Deutschland etliche Branchen geopfert. Man hat bei vielen regulatorischen Maßnahmen den Eindruck, dass diese mit der heißen Nadel gestrickt wurden, um möglichst schnell politische Ergebnisse zu erzielen. „Gerade in unserer Branche treten bei den Gesetzesbegründungen immer mehr Zielkonflikte auf, die vermuten lassen, dass eine langfristige übergeordnete Planung nicht mehr stattfindet“, so Karsten Hunger.
Energiepolitik ist auch Standortpolitik
Besonders schwierig sieht es laut IPV auch bei der Energiepolitik aus. Die Strom- und Gaskosten stiegen bei den meisten Herstellern deutlich. Vor allem Strom wurde im Schnitt rund 30 Prozent teurer, bei einigen wenigen Unternehmen verteuerten sich die Strompreise sogar dreistellig. Noch wird ein guter Teil der Mehrkosten weitergegeben, aber das ist eine massive Hürde im Wettbewerb: „Wir steigen bei der Atomkraft aus und andere bauen neue Kraftwerke. Gleichzeitig importieren wir Atomstrom aus dem Ausland. Das passt leider nicht. Wir müssen am gleichen Strang ziehen“, meint Jens Vonderheid.
“Technisch ist die Energiewende voraussichtlich machbar, aber die Industrie in Deutschland steht im direkten Wettbewerb. Daher benötigen wir die gleichen finanziellen Voraussetzungen beim Energiepreis wie unsere Nachbarländer. Ist dies nicht gegeben, werden Firmen in allen Branchen abwandern oder schließen.“
Karsten Hunger, IPV-Geschäftsführer
Diese Entwicklung findet bekanntermaßen bereits statt. Deutschland erlebt die ersten Phasen einer massiven Veränderung. Noch verlaufen die ersten Stilllegungen und Verlagerungen relativ leise. Im Hintergrund werden aber bereits die Planungen für die nächsten fünf bis zehn Jahre durchgeführt. Sind diese Entscheidungen einmal getroffen, werden in den nächsten Jahren voraussichtlich noch viel mehr schmerzhafte Einschnitte in der deutschen Wirtschaft zu spüren sein. Auch aus den Reihen der eigenen Mitgliedsunternehmen gibt es bereits Stimmen, die zukünftigen Investitionen maximal im europäischen Ausland, viel eher aber weltweit als sinnvoll erachten. Ein weiterer Grund ist der anhaltende Fachkräftemangel in Deutschland, auch wenn der in der aktuellen wirtschaftlichen Delle sicher nicht an erster Stelle steht. Aber auch hier wird eine Konjunkturbelebung bei dem einen oder anderen Betrieb direkt zu Problemen führen.
Bekannter Dreiklang: Bürokratie, Kosten und mangelnde Aufklärung
Gibt es für die Unternehmen der Verpackungsbranche in Deutschland aktuell keine Chance wettbewerbsfähig zu sein? Beide sind sich einig: Doch! Eindeutig ja. Denn innovative flexible Verpackungen haben klare Vorteile, wenn Funktionalität und Recyclingfähigkeit gleichermaßen erfüllt werden. Dann ist eine Verpackung nachhaltig und langfristig wettbewerbsfähig und spielen ihre Vorteile in einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft auch aus. Die dabei entstehenden Zielkonflikte sind die große Herausforderung bei Forschung und Entwicklung. Gerade die bekannte Innovationsfähigkeit des deutschen Mittelstandes gleicht (noch) einen Teil der genannten Hürden aus. Aber es bleiben die bekannten Probleme, der Dreiklang aus Bürokratie, Kosten und mangelnde Aufklärung.
„Solange es noch immer eine allgemein verbreitete These gibt „Es wird doch eh alles verbrannt oder nach Asien verschifft“ haben wir noch viel Aufklärungsarbeit vor uns. Diese Schwächen dürfen aber nicht dazu führen, dass kurzsichtige regulatorische Eingriffe unser funktionierendes System kippen lassen. Gleiches gilt für die Einführung von angeblich „lenkenden“ Steuern und Abgaben, die am Ende doch nur klamme Haushalte sanieren sollen, aber unsere Kreislaufwirtschaft nicht stärken“, so Karsten Hunger abschließend. Die Politik muss belastbare Rahmenbedingungen schaffen, damit Deutschland mit gleichen Chancen im Wettbewerb vertreten ist. Für den IPV steht fest: Der von der Bundesregierung zitierte „Wumms“ muss kommen. Und er muss jetzt kommen!
Quelle: IPV