Der Absender klingt nach fundierter Wissenschaft: Per Pressemitteilung führt die „Academic Society for Health Advice“ jede Menge Argumente gegen die geplante EU-Kunststoff-Steuer auf. Namentlich nicht weiter genannte Experten äußerten scharfe Kritik, heißt es darin. Die so genannte „Plastiksteuer“ sei weder für den Umweltschutz noch zur Haushaltskonsolidierung zielführend.
Argumente der Industrie
Zur ganzen Wahrheit gehört aber: Hinter der akademischen Gesellschaft steckt Kunststoff-Hersteller Paccor. Nachdem sich die Europäische Union bisher nicht auf einen gemeinsamen Haushalt für die kommenden Jahre einigen konnte, steigt in der Industrie die Angst vor einer neuen Finanzierungsidee mancher EU-Politiker. Ein Vorschlag von EU-Ratspräsident Charles Michel sieht eine Abgabe auf nicht verwertbare Kunststoffverpackungen vor. Demnach soll pro Kilogramm nicht-recyceltem Verpackungskunststoff eine Abgabe von 80 Cent fällig werden.
Weil die in der Pressemitteilung genannten Thesen und Argumente in der gesamten Verpackungsindustrie Fürsprecher finden werden, veröffentlicht packaging journal Auszüge der Meldung – zur Dokumentation und Meinungsbildung
Pläne werfen Fragen auf
An der Stelle werfen Branchenkenner gleich wesentliche Fragen zur Ausgestaltung der angedachten Abgabe auf – etwa die, wie denn mit recycelbaren Kunststoffverpackungen verfahren werden soll, die nur nicht wiederverwertet werden? Wird für diese Produkte ebenfalls die Abgabe fällig? Zu solchen und weiteren Detailfragen erwarten Beobachter – nicht nur in Brüssel – noch lebhafte Diskussionen, auch mit der betroffenen Industrie. Vor diesem Hintergrund sehen Insider in Brüssel die angedachte „Plastiksteuer“ mangels absehbarem Konsens – insbesondere zwischen den EU-Mitgliedsstaaten – noch in sehr weiter Ferne.
Darüber hinaus zweifeln politische Beobachter grundsätzlich daran, dass sich signifikante Steuern auf EU-Ebene überhaupt durchsetzen lassen. Denn eigene Steuern der EU würden die fiskalische Hoheit von den Länderregierungen nach Brüssel verschieben. Und daran sind die nationalen Regierungen nicht interessiert.
Abgesehen davon halten Kritiker, wie etwa der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), die vorgeschlagene Abgabe für ein untaugliches Instrument, das weder dem Umweltschutz dienen wird noch Haushaltsprobleme lösen kann.
Plastikabgabe fehlt Zweckbindung
Die EU-Kommission hat bislang noch keine vernünftige Folgenabschätzung zu dem Thema vorgelegt, sagt Martin Engelmann vom der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK), Insofern könne niemand, auch die Brüsseler Behörde nicht, derzeit belastbare Aussagen zu den Auswirkungen einer solchen Maßnahme auf die Nachhaltigkeit treffen, erklärt der Experte. Er bemängelt unisono mit anderen Marktkennern zudem vor allem die Tatsache, dass die Einnahmen aus der Abgabe nicht zweckgebunden seien, sondern direkt in den Gesamthaushalt der EU einfließen sollen. Zusätzliche Mittel für weitere Forschung und Entwicklung im Bereich der Kunststoffverwertung sind somit von der geplanten Abgabe nicht zu erwarten. Daher werde sie auch nahezu keine direkten Auswirkungen auf die Ziele der Kreislaufwirtschaft bzw. des Umweltschutzes haben, folgert Engelmann.
Stattdessen würde sie jenen Ländern in Europa, die erst am Aufbau einer effizienten Recyclingstruktur arbeiten, aber auch jenen, die sich für den Ausbau ihrer bestehenden Kapazitäten in diesem Bereich einsetzen, dafür benötigte Mittel entziehen. Denn die Kunststoffsteuer soll Berechnungen zufolge die europäische Industrie mit mindestens 8,24 Milliarden Euro pro Jahr belasten.
Mit dem Geld besser Kreislauf optimieren
Letztlich würde eine „Kunststoffsteuer“ den Herstellern in den EU-Mitgliedsstaaten also wichtige Mittel entziehen, die sie benötigen, um die Kreislaufwirtschaft für Kunststoffverpackungen weiter zu optimieren – gemäß der politischen Zielsetzung, dass bis 2030 alle Verpackungen in Europa recyclingfähig sein sollen.
Hinzu kommt, dass die Recycling-Infrastrukturen in den meisten EU-Ländern immer noch in kommunale Verantwortung fallen. Deshalb befürchten Beobachter, dass in den Mitgliedsstaaten kein großes Interesse daran bestehen dürfte, in diese Infrastruktur zu investieren – wenn man stattdessen alle Verpackungen als nicht recyclingfähig einstufen und darauf die „Steuer“ erheben könnte. In dem Fall würde dann aber auch das Recyceln von Papier, Metall und Glas beeinträchtigt, was wohl politisch nicht gewünscht sein dürfte.
Nicht zu vergessen ist in dem Gesamtzusammenhang auch, dass unter Experten weiterhin darüber gestritten wird, ob Kunststoffrecycling prinzipiell aus ökologischer Sicht gegenüber neu produzierten Alternativen zu bevorzugen ist.
Daher befürchten Skeptiker, dass die derzeit diskutierte Einführung einer Kunststoffsteuer in der EU am Ende nur Loose-loose-Effekte zeitigen würde, mit einem großen Verlierer: der Umwelt
Quelle: Pressemitteilung der Academic Society for Health Advice
– an initiative of PACCOR –
Studiengesellschaft für Gesundheitsberatung e.V.