Wie viele andere Industrien passt sich auch die Verpackungsindustrie unter der Einwirkung globaler Einflussfaktoren wie Regulierung, Fachkräftemangel und digitaler Transformation den veränderten Marktanforderungen an. Um den damit verbundenen Chancen und Risiken zu begegnen, setzt die Branche verstärkt auf Lösungen wie Mensch-Roboter-Kollaboration und bedient sich unter anderem künstlicher Intelligenz sowie intensiver Datenverarbeitung.
Diversifikation, Personalisierung und immer kleinere Losgrößen sind nicht immer wirtschaftlich über automatisierte High-Speed-Prozesse der Massenproduktion abzuwickeln. Die entsprechenden Aufgaben werden vielfach an Kontraktpacker (Co-Packer) übertragen, die mit großem Personal- und Kostenaufwand komplexe Verarbeitungsaufgaben an Kleinchargen und Premiumverpackungen übernehmen. Konventionelle Industrieroboter spielen daher in diesem Bereich eher eine untergeordnete Rolle.
„Roboter sind weit davon entfernt, manuelle Arbeit in der Verpackungsbranche abzulösen“, erklärt Malte Schlüter, Global Key Account Director F&B/CPG bei Mitsubishi Electric. „Als vollintegrierte, intelligente ‚Kollegen‘ werden sie diese aber ergonomischer und effizienter machen. Das ist auch keine Zukunftsmusik mehr, denn die entsprechende Technik haben wir bereits – und sie ist wirtschaftlich. Vier Haupttrends prägen derzeit die Verpackungsindustrie und werden die Zukunft gestalten“, betont er.
Kollaborative Roboter
Ein klarer Trend ist die verstärkte Nachfrage nach kollaborativen Robotern (Cobots) zum direkten Einsatz neben dem Menschen ohne Schutzeinrichtung: „Dabei geht es nicht um die Verdrängung von klassischen Industrierobotern, sondern um ihre Ergänzung und zusätzliche Automatisierung – gerade im Co-Packing-Bereich“, meint Schlüter.
Ausgestattet mit einem Visionsystem, entlasten Cobots den Menschen von monotonen, ermüdenden und körperlich belastenden Handgriffen, indem sie beispielsweise Teile richtig orientiert anreichen oder das Heben von Lasten übernehmen. Auf diese Weise bewirken sie eine Effizienzsteigerung und Qualitätsverbesserung der menschlichen Arbeit.
Cobots sind von vornherein für den Einsatz in unmittelbarer Nähe zum Menschen konzipiert, das heißt, sie agieren mit für den Menschen ungefährlichen Kräften und Beschleunigungswerten, die in der Sicherheitsrichtlinie ISO TS15066 festgelegt sind. Mitsubishi Electric entwickelt derzeit einen neuen kollaborativen Roboter mit Eigenschaften wie einer Oberfläche ohne Verletzungsgefahr durch Quetschkanten, die außerdem leicht zu reinigen ist und Schmutznester unterbindet. Dabei erreicht er dieselbe Wiederholgenauigkeit von ±0,02 Millimeter wie die Industrieroboter des Herstellers. Die Prototypen befinden sich noch in der Erprobung, wurden auf internationalen Fachmessen aber bereits einem größeren Publikum vorgestellt.
Ein weiteres Merkmal von Cobots sind im Allgemeinen ihre einfache Steuerung und ihr geringer Programmieraufwand, den geschulte Personen beim Endanwender übernehmen können. Die Kosten für externe Systemintegratoren oder Programmierer entfallen somit. Dazu können sie in vielen Anwendungsgebieten der Verpackungsindustrie schnell und flexibel ihren Einsatz finden.
Für das Cobot-„Teaching“ gibt es beim Prototypen von Mitsubishi Electric unterschiedliche Optionen vom kraftgeregelten Verschieben des Roboterarms per Hand an die gewünschte Position bis hin zur visuellen Programmierung und zu Benutzeroberflächen auf Tablets oder mobilen Geräten zur Kalibrierung und Parametrisierung.
Roboter ohne Schutzabsperrung
Bei Industrierobotern verlangt der Markt mittlerweile alternative Sicherheitslösungen zu Zäunen, Absperrungen, Käfigen und Zellen. Schließlich belegen diese Sicherheitsvorkehrungen wertvolle Produktionsfläche, bedeuten in Hygienebereichen hohen zusätzlichen Reinigungsaufwand und schließen eine sinnvolle Zusammenarbeit mit Menschen aus. Hinzu kommen aufwendige Neustartprozeduren nach einem Not-Stopp oder wenn Schutzabsperrungen geöffnet wurden.
Alternativ können optische Sicherheitssysteme angewendet werden. Weitverbreitet sind Laserscanner zur Überwachung definierter Zonen rund um den Roboter. „Eine Besonderheit bei Mitsubishi Electric ist die sicherheitsrelevante Reduzierung der Bewegungsgeschwindigkeit unserer Industrieroboter, sobald ein Mensch deren äußere Zone betritt. Beim Eindringen in den Bereich, in dem die Gefahr des unmittelbaren Kontakts mit dem Roboter besteht, bleibt dieser sofort stehen“, beschreibt Malte Schlüter die Lösung.
Statt der Sicherung mit Lichtschranken und Laserscannern werden immer häufiger ganze Räume mit Kamerasystemen überwacht. Mit künstlicher Intelligenz (KI) ausgestattete Visionsysteme sollen zukünftig erkennen, wann und wo Menschen den Arbeitsraum des Roboters betreten und dessen Geschwindigkeit entsprechend regeln. Auf diese Weise werden sich Menschen bald vollkommen frei und sicher im Umfeld von Robotern bewegen können. Mitsubishi Electric arbeitet bereits aktiv mit seinen Partnern daran, entsprechende Lösungen zur Marktreife zu führen.
Künstliche Intelligenz
KI beschreibt in der Robotik die Fähigkeit, auf unvorhergesehene und nicht programmierbare Situationen angemessen zu reagieren. Wird beispielsweise dem Roboter ein Produkt mit einer Abweichung von der Norm hinsichtlich Lage, Geometrie oder Verpackung zugeführt, ist er ohne KI nicht in der Lage, diese verschiedenen Unregelmäßigkeiten zu identifizieren und entsprechend zu reagieren. Mit KI und entsprechenden Visionsystemen als Sensoren ausgestattete Robotersysteme können nun lernen, diese Abweichungen zu identifizieren, und passen ihre Abläufe alternativ an. So steht die neue Roboterserie MELFA FR mit KI-Funktionen zur Verfügung und kann in Branchen wie der Nahrungsmittelindustrie oder Life Sciences die Gutausbeute steigern.
KI kommt auch zum Einsatz, wo intelligente Roboter Qualitätsmängel an zu verpackenden Produkten erkennen und diese im laufenden Prozess gegen einwandfreie Produkte austauschen – auch innerhalb einzelner Verpackungseinheiten. Manuell verfahrbare oder gar auf fahrerlosen Transportsystemen montierte Roboter erfassen zudem schnell ihre neue Position und passen ihre Verfahrensabläufe an.
Data Mining
Vor dem Hintergrund, mittels Digitalisierung die Gesamtanlageneffektivität (GAE) steigern zu wollen, herrscht große Nachfrage nach der Analyse extrahierter Daten (Data Mining) aus der Produktion. An erster Stelle stehen hierbei Rezept- und/oder Produktionsdaten zur internen Auswertung und Steigerung der GAE.
Daneben lassen sich Zustands- und Betriebsprofile von Roboterkomponenten wie den Servoantrieben aufzeichnen. Sie liefern wertvolle Hinweise beispielsweise auf den Zustand von Verschleißteilen und Schmutzansammlungen. Die so generierte Datengrundlage ermöglicht Strategien der vorausschauenden Wartung (Predicitve Maintenance) mit signifikantem Einsparpotenzial bei den Instandhaltungskosten.
Eine weitere wichtige Kategorie sind Prozessdaten für die Rückverfolgbarkeit und für die Verbraucherinformation, insbesondere im Lebensmittelbereich. Hiermit lässt sich beispielsweise die Einhaltung der Kühlkette nachweisen oder per QR-Code abrufbare Herkunftsinformationen auf Lebensmittelverpackungen anbringen.
„Bei Mitsubishi Electric können wir alle Daten von SPSen, Steuerungen und Antrieben zentral vor Ort sammeln und mit spezieller Edge-Computing-Technologie aufbereiten. Hierdurch sparen wir teuren Speicherplatz in der Cloud und gewinnen viele weitere vorteilhafte Möglichkeiten für die Produktionssteuerung und -überwachung“, fasst Schlüter zusammen.
Die deutsche Abteilung des Bereichs Industrial Automation von Mitsubishi Electric Europe ist Teil der European Factory Automation Business Group mit Sitz in Ratingen bei Düsseldorf, die ihrerseits zu Mitsubishi Electric Europe B. V. gehört, einer Tochter der Mitsubishi Electric Corporation, Japan. Die Abteilung Deutschland koordiniert Vertrieb, Service und Support durch das Netzwerk der Niederlassungen und Händler in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Beneluxländern.