Die europäische Plastikindustrie wird offenbar in diesem Jahr deutlich weniger Kunststoffe aus Rohstoffen aus dem chemischen Recycling produzieren als angekündigt. Das haben Recherchen des NDR ergeben.
Der Verband Plastics Europe hatte 2023 in Aussicht gestellt, dass in Europa im Jahr 2025 rund 900.000 Tonnen Kunststoffe mit dem sogenannten chemischen Recycling produziert würden. Doch dieses Ziel wird nach Recherchen des ARD-Magazins “Panorama” (NDR) weit verfehlt. 2024 waren es demnach weniger als 100.000 Tonnen. Eine deutliche Steigerung sei auch dieses Jahr nicht möglich.
Viele angekündigte Projekte für chemisches Recycling wurden noch nicht realisiert. Weltweit sind nur wenige Anlagen in Betrieb, die meisten von ihnen in Europa. Nach NDR-Angaben räumte die Geschäftsführerin von Plastics Europe Deutschland, Christine Bunte ein, dass “noch sehr wenig Kunststoff aus chemischem Recycling hergestellt” wird. Der Verband schätzt, dass 2024 durch chemisches Recycling nur 120.000 Tonnen Rohstoffe wiedergewonnen wurden. Unklar sei auch, welcher Anteil der gewonnenen Rohstoffe später für die Herstellung von neuem Plastik genutzt wurde. Der Verband teilte auf NDR Anfrage mit, er gehe von 70.000 Tonnen “als gesicherte untere Grenze” aus, die in die Kunststoff-Produktion gegangen seien. Wie viel neues Plastik daraus tatsächlich hergestellt wurde, ist unklar.
Großanlagen schwierig zu realisieren
Große Anlagen für chemisches Recycling seien “sehr, sehr schwierig zu realisieren – tatsächlich so schwierig, dass wir es noch nicht hinbekommen haben”, zitiert der NDR Kerstin Kuchta von der TU Harburg. Sie beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit diesen Verfahren. Der Abfall, der in den Reaktoren zersetzt werden soll, sei oft feucht, verdreckt und enthalte verschiedenste Stoffe. Die chemischen Prozesse seien deshalb nie komplett gleich.
So werde der Anteil des Kunststoffs, der so produziert wird, voraussichtlich vorerst gering bleiben. Dabei hatten Plastics Europe und der Verband der Chemischen Industrie (VCI) im Jahr 2022 das chemische Recycling als “ein Schlüsselelement für die Erreichung der Treibhausgasneutralität” bezeichnet.
Auch der Ausbau des klassischen, mechanischen Recyclings kommt nicht so schnell voran wie geplant. 2018 hatte die EU-Kommission eine “Circular Plastics Alliance” gestartet mit dem Ziel, im Jahr 2025 insgesamt zehn Millionen Tonnen recyceltes Plastik in der EU zu nutzen. Viele Unternehmen sagten zu, das zu unterstützen. Doch nach NDR Recherchen ist sehr unsicher, ob das Ziel noch zu erreichen ist. 2022 lag die Marke bei weniger als sieben Millionen Tonnen. Und seit 2023 ist die Nachfrage nach recyceltem Plastik und damit auch dessen Produktion ins Stocken geraten, weil neues Plastik aus Erdöl billiger ist.
Derzeit verursachen Herstellung und Entsorgung von Kunststoffen weltweit etwa zwei Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr. Laut einer OECD-Prognose soll sich der jährlich Plastik-Verbrauch bis 2060 verdreifachen. Die Branche hat das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, und hält auch trotz der Probleme beim Ausbau des Recyclings laut eigener Aussage daran fest.
Quelle: NDR