Kreislaufwirtschaft ist das große Schlagwort für die Verpackungsbranche, das auch die nächsten Jahre bestimmen wird. Meistens stehen dabei die Single-use-Verpackungen sowie die Rohstoffrückgewinnung durch gutes Recycling im Fokus. Dabei bieten neue Mehrweglösungen auch abseits des funktionierenden Mehrwegsystems in der Getränkebranche attraktive Alternativen, deren Potenzial noch nicht ausgeschöpft wird.
Von gesetzlicher Seite ist der Druck auf wiederverwendbare Verpackungen inzwischen deutlich erhöht worden: Der Paragraf 33 des Verpackungsgesetzes verpflichtet die To-go-Branche, ab 2023 eine Mehrwegalternative zu den gängigen Single-use-Verpackungen anzubieten. Somit wird auch der Druck auf papierbasierte Einwegverpackungen erhöht.
Erste Mehrweglösungen schon im Markt
Generell ist davon auszugehen, dass Mehrweg bzw. Reuse sich als Erfolgskonzept in den nächsten Jahren durchsetzen wird, das zeigen schon die Getränkebehälter von z. B. Recup, Faircup oder Loop-it in Schweden. Die Kaffeebecher wurden in den letzten Monaten ergänzt durch Schalen für Salate und To-go-Produkte, wie die Beispiele Vytal, Relevo, ReCircle, Rebowl oder Pfabo zeigen. In den USA hat das Loop-System von Terra Cycle neue Produkte für FMCG-Marken und die Fast-Food-Branche entwickelt. Auch PizzaBow bietet eine Schale an, die allerdings noch nicht den kompletten Wellpappe Anteil ersetzt.
Einige dieser Lösungen bahnen sich inzwischen auch ihren Weg in den Supermarkt. So nutzen einige Lebensmittel-Start-ups schon die in Deutschland verbreiteten Joghurt-Mehrweggläser für z. B. Suppen oder Gemüse. Der Bio-Händler Alnatura hat ein eigenes Glas für mehrere Produkte aus dem Eigenmarkensortiment im Einsatz, während das Start-up Circujar ein neues Mehrwegglas für Suppen, Aufstriche oder Antipasti auf dem Markt etablieren möchte.
Die Herausforderungen für Mehrwegsysteme
Allen genannten Lösungen gemeinsam ist die Tatsache, dass es Insellösungen sind, die nur in geschlossenen Kreisläufen funktionieren und den Verbrauchern eine gewisse Leidensfähigkeit bei der Suche nach teilnehmenden Ausgabestellen, wo der Mehrwegbehälter gekauft bzw. „gemietet“ werden kann, abverlangen. Die einfache, räumlich nahe Rücknahme bleibt auch zukünftig eine der größten Herausforderungen für eine möglichst einfache Verwendung von Mehrwegverpackungen.
Mit der Rücknahme einher geht auch die Notwendigkeit, die einzelnen Packungselemente wie Becherboden und Deckel individuell zu serialisieren, sprich unique Codes aufzubringen. Denn dies ermöglicht die genaue Identifikation sowie Abrechnung und erlaubt eine Rückverfolgung und Kontrolle der Packungen über den kompletten Kreislaufprozess. Heute gehen Mehrwegbehälter zum Händler oder Abfüller zurück und werden dort gereinigt, bevor die nächste Befüllung ansteht. Die Reinigung selbst ist aber sehr kostenintensiv und hält noch viele kleine Anbieter davon ab, auf Mehrweg umzusteigen. Die Lösung der Zukunft wird sein, dass Rücknahme und Reinigung zentral stattfinden werden und die Abfüller gereinigte Behälter bestellen und erhalten: Pay per use statt Behälter selbst kaufen. Dies wird die notwendigen Investitionen in Verpackungen und damit die Eintrittsbarriere deutlich reduzieren.
Für eine zentrale Reinigung ergeben sich damit jedoch auch wichtige Kompatibilitätskriterien, denn industrielle Reinigung kann heute noch nicht wahllos unterschiedliche Behälter in Form, Größe und Material auf derselben Linie reinigen. Die heutigen Insellösungen werden sich daher einem gewissen Standard anpassen müssen, um die Komplexität der Reinigung und Logistik gering zu halten. Das betrifft Stapelbarkeit und Entstapelung, modulare Formen und Größen, die sich an den Normgrößen in der Logistik orientieren, Oberflächenbeschaffenheit für Schmutzanhaftungen, leichte Reinigung sowie Resistenz gegen Fette, Öle, Salz und Säuren, Kratzfestigkeit, Migrationsbeständigkeit – um nur einige Faktoren zu nennen.
Viele Materialien stehen zur Auswahl
Schon die Materialauswahl gibt für Mehrwegsysteme einige Restriktionen vor: Glas ist brüchig, vergleichsweise schwer, ist aber sehr gut in den Barriere- und Migrationsfaktoren. Die möglichen Umlaufzahlen variieren je nach Handling der Behälter im unteren bis hohen zweistelligen Bereich. Das neue gegründete Unternehmen Circujar bietet eigene Glasbehälter für Suppen, Soßen und andere Produkte an – auch für Abfüller von vorverpackten Waren im Supermarktregal. Dabei wird auf die serielle Codierung verzichtet, dafür übernimmt Circujar die Rücknahme und Reinigung und stellt die sauberen Behälter dann den Abfüllern zur Verfügung, die eine Nutzungsgebühr bezahlen.
Metall ist sehr stabil, vergleichsweise schwer, teuer in der Herstellung, bietet eine hohe Barriere, aber auch gewisse Migrationseinschränkungen. Die möglichen Umlaufzahlen belaufen sich jedoch in den hohen Hunderter- bis Tausender-Stückzahlen. Schon seit den 1960er-Jahren ist eine Lösung der Rieber GmbH & Co. KG auf dem Markt. EaTainable, ein Mehrwegsystem von Rieber für die Gastronomie, zeigt, wie ein serielles, digitalisiertes System von Metallbehältern in der Gastronomie Mehrwert für Verbraucher und Inverkehrbringer bieten kann. Hier hat man einen cloudbasierten Code auf jeden Behälter unterschiedlicher Modulmaße aufgebracht und erlaubt über die eigene App eine Steuerung und Rückverfolgung der Behälter und liefert Informationen für die Nutzer. Die Behälter aus Metall sind zwar von den Kosten her deutlich teurer als ihre Kunststoff- oder Glaspendants, was sich aber durch die sehr hohen Umlaufzahlen schnell relativiert. Eine Adaption für die To-go-Branche oder auch für Lebensmittelproduzenten ist vorstellbar. Die Nutzung der App und cloudbasierten Datenbank ist offen für andere Verpackungslösungen.
Ein Beispiel für die vielfältigen kunststoffbasierten Mehrwegbehälter liefert das Start-up Pfabo. Seit Sommer 2021 sind dessen modulfähige Pfandboxen mit serieller Codierung bei dem Lebensmittelhändler Bio Company im Einsatz. Eine cloudbasierte Datenbank kann diese Boxen dann vom Abfüllen z. B. frischer Salate und To-go-Produkte über die Rücknahme, Reinigung und Wiederbereitstellung nachverfolgen.
Recycling am Ende des End-of-Life-Scenarios
Glas und Metall bieten sehr gute Recyclingmöglichkeiten durch existierende Sammelinfrastrukturen in Deutschland und internationalen Märkten. Etwas aufwendiger stellt sich da schon das Recycling von Kunststoffverpackungen dar. Diese sind leicht, vergleichsweise günstiger, bieten gute Barriere-, aber teilweise geringe Migrationsfunktionen. Die Umlaufzahlen schwanken je nach Anwendung und Beanspruchung zwischen zweistelligen bis mehreren Hundert Umläufen. Bei separater Sammlung von abgenutzten Behältern kann ein mechanisches Recycling gut realisiert werden, jedoch ist das Rezyklat heute noch nicht für Food-Anwendungen freigegeben.
Pfand als Glaubensfrage
Die Bepfandung ist bei allen Unternehmen unterschiedlich. Während Pfabo und Rieber ein höheres Pfand verlangen, um die Behälter zügig in den Rücklauf zu holen, soll sich der Pfandbetrag bei Circujar im Bereich der heute bekannten Joghurtgläser bewegen. Die Gefahr, dass die Gläser von den Verbrauchern „gesammelt“ werden, sehen die Gründer als vorübergehende Entwicklung an, bis diese sich mit ausreichenden Behältern „bevorratet“ haben und diese zurückgeben. Diskutiert wird auch die Option, ob ein Pfand überhaupt notwendig ist oder eher eine Kaution, was jedoch eine Registrierung erforderlich machen würde.
Wie vielfältig die Landschaft im Bereich Mehrweg gerade ist, weiß Frau Dr. Anika Oppermann von der Beratungsfirma Shafuto – shapingthefuturetogether. Sie beobachtet die Entwicklungen bei Mehrweg- bzw. Reuse-Konzepten und berät Unternehmen, die sich für diese Alternative zu Single-use-Verpackungen interessieren. Gleichzeitig ist sie in Mehrweg-Communitys engagiert, in denen auch Pacoon die Entwicklung hin zu einem internationalen Reuse-System vorantreibt. Sie stellt fest, dass national und international schon zahlreiche Unternehmen vielfältige Lösungen anbieten. Dabei zeige sich, dass viele Anbieter ähnliche Ansätze verfolgen, wobei allerdings ein Großteil der Energie in die Gewinnung von Vertriebspartnern und den Aufbau von Kreisläufen investiert würde. Um Mehrweg in Zukunft für Anbieter, Abfüller und Verbraucher einfacher zu gestalten und breitflächig zu etablieren, bedürfe es einer Zusammenarbeit und Standardisierung aller Stakeholder.
Vernetzung ist der Schlüssel zum Erfolg
Die Resonanz von Abfüllern und Handel auf Mehrweg ist durchaus positiv, jedoch gibt es einige wichtige Herausforderungen für ein übergreifendes Mehrwegsystem zu meistern. Dringender Handlungsbedarf zur weiteren Etablierung von Mehrwegsystemen besteht insbesondere bei der Standardisierung von Prozessen und Behältern, einer digitalen Rückverfolgung der Behälter und der harmonisierten Rücknahme, Reinigung und Transportlogistik. Ein Bottle-Neck stellt das etablierte Kassensystem im Lebensmittelhandel dar, das die neue serielle Codierung auch verarbeiten muss. Hier hat sich der deutsche Handel dahin gehend positioniert, ein solches System nicht vor 2027 zu realisieren. Ob die Codierung bis dahin ein Schattendasein führen wird oder ob sich parallel alternative Datensysteme entwickeln werden, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Sicher ist, dass sich Mehrweglösungen sehr zeitnah im Markt etablieren werden, zumal sich im To-go-Bereich mit dem neuen Gesetz ab 2023 viele Verpackungen in der Fläche ausbreiten werden und bereitstehen, auch für Produkte im Supermarkt adaptiert zu werden.
Gastautor: Peter Désilets, Geschäftsführer bei Pacoon
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