Branche übt Kritik an Recycling-Doku der ARD

(Bild: WDR/Romolo Tavani/Adobe/a&o buero)

Um den Dokumentarfilm „Die Recyclinglüge“, der am 20. Juni in der ARD ausgestrahlt wurde, ist im Netz eine Diskussion entstanden. Im Film wird an der Kunststoffindustrie ausführlich Kritik geübt, die Effizienz von Kunststoffrecycling infrage gestellt. Nun äußern sich Branchenverbände kritisch zur ausgestrahlten Darstellung.

Tom Costello und Benedict Wertmer decken in der Dokumentation Missstände im Umgang mit Plastikmüll auf, etwa den illegalen Verkauf großer Mengen gebrauchten Kunststoffes ins Ausland. Auch die namhafte Initiative Terracycle, die mithilfe von Freiwilligenarbeit weltweit nicht recycelbare Kunststoffe sammelt und unter anderem hinter dem Mehrweg-System Loop steht, wird mit Betrugsvorwürfen konfrontiert.

„In den letzten Jahren hat sich die Plastikkrise verschärft. Bilder von verendeten Tieren und verschmutzten Ozeanen gehen um die Welt. Die Verpackungsindustrie meint, eine Lösung für das Problem zu haben: Recycling. Auf immer mehr Flaschen, Schachteln und Tüten findet sich der Aufdruck ‚100 % recycelbar‘. Aber wenn Recycling wirklich die Lösung ist, warum wird dann heute mehr Neuplastik produziert als je zuvor? Könnte Recycling in Wahrheit nichts weiter als ‚Greenwashing‘ sein?“ So wird die Dokumentation im ARD-Pressematerial beschrieben.

Mit drastischen Bildern zeigt die ARD-Doku, was unkontrollierte Plastikentsorgung etwa in Indonesien anrichten kann. (Bild: WDR/Yetha)

Eindrücklich sind auch die Bilder von Müllbergen in Indonesien oder meterbreit auf dem Ganges treibendem Plastik. Außerdem heißt es in der Dokumentation, in Deutschland würden gerade einmal sieben Prozent des gesammelten Kunststoffs gesammelt und ein Teil des restlichen Mülls ins Ausland verlagert. Mülltrennung und Recycling seien beruhigende Märchen, die man sich erzähle, heißt es im Fazit.

Kritik aus Verbänden

An dieser Darstellung üben nun mehrere deutsche Verbände Kritik. So sieht Peter Kurth, Präsident des BDE Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft, den Dokumentarfilm als einen Bärendienst an Umwelt- und Klimaschutz.

"Es ist richtig, dass im Bereich Kunststoffrecycling noch Hausaufgaben zu tun sind. Dies gilt insbesondere für das Design der Produkte und für den Ausbau des Rezyklateinsatzes in neuen Produkten. Die in der Fernsehdoku hergestellte Verbindung der Plastikvermüllung der Meere mit einem unzureichenden Plastikrecycling in Deutschland grenzt – freundlich ausgedrückt – an Täuschung."
Peter Kurth
Peter Kurth
Präsident des BDE Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft

Eine solche Darstellung, so Kurth weiter, leugne die tatsächlichen Ursachen, denn es sei bekannt, dass 90 Prozent des weltweit in die Weltmeere eingetragenen Plastikabfalls aus zehn Flüssen stamme, von denen acht in Asien und zwei in Afrika liegen. Dort sei der Kunststoffverbrauch ähnlich zum europäischen, aber die Möglichkeit zum effizienten Recycling und damit zur Kreislaufwirtschaft nicht gegeben.

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Auch die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. zeigt sich in einer Pressemeldung angesichts der „verunsichernden Botschaft“ enttäuscht: „Wir kennen unsere Schwachstellen und wir arbeiten daran, diese zu beheben. Wir wissen aber auch, dass wir zum Schaffen von Stoffströmen überzeugte Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen. Diese sind durch die Reportage jedoch verunsichert worden. Als Reaktion auf den Film werden sie vermutlich nicht weniger Verpackungen nutzen, diese aber mit voller Überzeugung in den Restmüll und damit in die Verbrennung geben. Damit leistet Das Erste der Kreislaufwirtschaft einen Bärendienst.“

Systemwechsel Kreislaufwirtschaft

Auf LinkedIn reagiert Ingemar Buehler, Hauptgeschäftsführer von Plastics Europe, in einer tiefergehenden Analyse auf Kritikpunkte des Films. Insbesondere sieht er die Aussagen „Recycling sei keine Lösung“ sowie „Verzicht auf Plastik sei geboten“ als problematisch an. „Die Probleme, die der Film aufzeigt, sind massiv und wir müssen ihnen viel konsequenter begegnen als bislang. Abfallmanagementsysteme sind weltweit aufzubauen und als entwickelte Industrieländer müssen wir hier mehr unterstützen.[…] Zu glauben, Verzicht oder alternative Materialien wären für die Lösung der hier genannten Probleme ausreichend, ist ein Trugschluss. Es ist vielmehr unsere Verantwortung, der steigenden globalen Produktion einen substanziellen Ausweg, einen Systemwechsel – die klimaneutrale Kreislaufwirtschaft – entgegenzustellen.“

Auch von Seiten des Verbands der Chemischen Industrie kommt in einem Twitter-Thread Kritik. „Gerade was Verpackungsmüll angeht, werden wir unsere Konsummuster ändern müssen. Stichwort: Bequemlichkeit. Die weltweit steigenden Abfallmengen werden wir aber ohne besseres und effizienteres Recycling nicht in den Griff bekommen. Hierfür brauchen wir neue Lösungen. […] Auch in den oft und hart kritisierten Verpackungen haben sie wichtige Funktionen, z. B. weil Lebensmittel länger haltbar sind. Die entscheidende Frage ist deshalb nicht, wie wir Abfälle oder Kunststoffe vermeiden. Sondern: Wie können wir wirklich nachhaltig produzieren?

Quellen: BDE, IK, Plastics Europe, VCI

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