Es passiert viel in der Welt der Verpackungen. Für den nötigen Überblick kann da der Blick des Experten helfen. Deshalb gibt an dieser Stelle ab sofort regelmäßig der US-Verpackungs- und Designspezialist Tom Newmaster seine Gedanken über aktuelle Entwicklungen im Verpackungsmarkt wieder. Das Thema heute: die Verpackungstrends 2022.
Tom Newmaster kennt sich aus mit Verpackungen. Der US-amerikanische Designer hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Branche und arbeitete bereits gemeinsam mit Unternehmen wie The Hershey Company, Pfizer oder Zippo. 2017 gründete er die Designagentur FORCEpkg. Für das packaging journal teilt er regelmäßig seine Gedanken über den Verpackungsmarkt.
Verpackungstrends sind ein bisschen wie Reinkarnation – sie werden immer wieder neu geboren. Doch jedes Mal entwickeln sie sich mit mehr Raffinesse und Versprechen weiter. Viele von uns sehen dem Jahr 2022 mit der Hoffnung entgegen, dass die Covid-Situation endlich vorbei ist, dass sich die Regale wieder füllen und dass Marken neue und profitable Wege finden, sich mit dem Planeten anzufreunden. Gleichzeitig müssen wir unsere Hoffnungen für das kommende Jahr mit einem gesunden Maß an Realismus untermauern. In diesem Sinne wollen wir uns drei viel gepriesene Trends ansehen.
Ist weniger mehr, oder ist weniger weniger?
Das Konzept, das hinter dem Trend zu minimalistischen Verpackungen steht, ist einfach: In einer Einzelhandelsumgebung, in der alles im Regal um Ihre Aufmerksamkeit buhlt, ist es die zurückhaltende Verpackung, die auffällt. Minimalistisches Design hat auch andere Vorteile: Es sieht edel aus, ist „in“ (man denke nur an Apples Schachteln im Stil des „Weißen Albums“ der Beatles), und Befürworter behaupten, es sei umweltfreundlicher (da weniger Etiketten und andere Zusatzmaterialien verwendet werden können). Diese Vorzüge sollen das Geheimnis der großen Attraktivität sein. Aber kann sie auch überzeugen?
Mein Forschungspartner hat minimalistische Verpackungen bei den Verbrauchern auf den Prüfstand gestellt. Die Ergebnisse decken sich nicht gerade mit der Begeisterung der Designer-Community. Das beobachtet zumindest Steve Lamoreaux, Gründer und CEO von Designanalytics, einem Unternehmen, das sich auf Leistungsdaten im Verpackungsdesign spezialisiert hat.
Das ist, was er zu sagen hatte:
„Der potenzielle Einfluss des Minimalismus auf die Kommunikation ist bedeutend, da die Kommunikationsleistung in fast 90 Prozent der Fälle mit der Verkaufsleistung übereinstimmt.“ Dies geht aus einer Analyse der Redesign-Datenbank von Designalytics hervor. Das Bild ist jedoch nicht gänzlich düster – Lamoureux verwies auf einige Beispiele von Marken wie Dark Horse und Sam Adams, die ihre Designs mit beträchtlichem Erfolg strategisch gestrafft haben.
„Minimalismus“, fügte er hinzu, „der den Lärm reduziert und es den Verbrauchern ermöglicht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, kann effektiv sein. Aber das Streichen von Schlüsseltexten oder visuellen Elementen kann ebenso katastrophal sein wie das Hinzufügen von Elementen, die die Unübersichtlichkeit erhöhen, ohne etwas Sinnvolles zu vermitteln. Aus diesem Grund können solche Designdaten zu Beginn einer Neugestaltungsinitiative unglaublich hilfreich sein – sie bieten eine objektive Sicht darauf, welche Elemente geschützt, bearbeitet oder gelöscht werden sollten.“
Meine Meinung? Apple hat es richtig gemacht, aber man darf nicht vergessen, dass es nicht nur die schlichte weiße Verpackung ist, sondern die Qualität der Materialien, die sagt: „Das ist Apple“. Und sie passt zu allem, was die Marke verspricht. Ein weiteres Beispiel für eine Marke, die es mit der Einfachheit richtig macht, ist MF People – eine Linie von Körperpflegeprodukten. Das minimalistische Design verzichtet auf überflüssigen Design-Lärm, sodass die geschlechtsübergreifende Attraktivität der Marke offensichtlich wird.
Die Moral von der Geschichte? Minimalismus ist cool, wenn man die Produktbotschaft und die Materialien hat, um ihn zu verwirklichen. Andernfalls sind es nur Designer, die miteinander reden. Oder, wie ein Branchenexperte in diesem Artikel sagt: „Minimalismus kann nützlich sein, um die Alleinstellungsmerkmale eines Produkts zu verdeutlichen, aber schlecht durchdachter Minimalismus kann gleichzeitig in fades Branding – oder „Blanding“ – abgleiten.
Bundling – eine Freude für den E-Commerce
Amazon bietet eine wunderbare Möglichkeit für Marken, gebündelte Produkte zu verkaufen und den Umsatz für ihre Marken zu steigern. Jeder, der auf der Plattform einkauft, kennt diese Zeile: „Häufig zusammen gekauft“. Ihr Algorithmus stellt Ihnen ein Produktbündel zusammen. In einem kürzlich erschienenen Artikel in Selling heißt es: „Bündel müssen aus Produkten bestehen, die sich in hohem Maße ergänzen. Wenn eine Marke einzigartige Pakete anbietet, sind die Ergebnisse ein Gewinn für die Marke und den Verbraucher. Bündel sind eine großartige Möglichkeit, mehrere niedrigpreisige Artikel zu kombinieren und tatsächlich einen Gewinn zu erzielen. Denn die FBA-Gebühr, die durch den Versand durch Amazon fällig wird, wird nur von einem Artikel abgezogen und nicht von jedem einzelnen Artikel.“ Sie erzielen also höhere Gewinnspannen.
Der Schlüssel für Designer liegt darin, sicherzustellen, dass sich die Produkte ihrer Kunden für eine Bündelung eignen. Mit anderen Worten: Die Produkte sollten so aussehen, als würden sie zusammenpassen. Die Kenntnis der Welt des E-Commerce ist entscheidend für den Erfolg.
Die luxuriöse Markenerweiterung
Jeder spricht über die Erweiterung von Produktlinien, aber dies ist besonders wichtig für alte Marken, die für frühere Generationen von Bedeutung waren. Nehmen wir das Beispiel Famous Amos, einer 1975 gegründeten Keks-Marke. Sie wurden 1996 vor dem Konkurs gerettet, als Kellogg sie aufkaufte. Aber sie wurden immer als Einzelportionspackung in einem Convenience Shop oder Kiosk wahrgenommen. Kürzlich wählte das Unternehmen einen interessanten Ansatz, um seine Positionierung zu erneuern, indem es auf Premium umstieg. Ziel war es, die Markenidentität neu zu beleben, die Verbraucher wieder anzusprechen und neue Kunden zu gewinnen.
Der neue Eigentümer Ferrero hat Famous Amos einen Neustart verpasst und drei Sorten mit hochwertigen Zutaten wie Kokosnuss, Haselnuss und weißer Schokolade auf den Markt gebracht. Sie können damit rechnen, dass andere Marken in naher Zukunft das gleiche Premium-Upgrade anwenden werden. Meine Meinung? Ein Hinweis zur Vorsicht: Wenn Ihre Marke zu viele Erweiterungen hat, neigen diese dazu, sich im Regal zu vermischen und ihre Differenzierung zu verlieren. Stellen Sie sicher, dass jede Erweiterung deutlich genug ist, um dem Verbraucher ein neues Erlebnis zu vermitteln.
Der Elefant im Raum
Die Herausforderungen der Lieferkette werden uns auch weiterhin beschäftigen. Dies wird immer deutlicher, je näher wir dem Jahr 2022 kommen. Und manche sagen, dass das Geschäftsmodell der Schnelldreher-Marken daran mitschuldig ist. In einem kürzlich erschienenen Bericht des US-Nachrichtenportals Vox wurde behauptet, dass das Just-in-Time-Modell der Verpackungsindustrie zu ihrer derzeitigen Misere beigetragen hat. Als Faktoren werden unter anderem genannt, dass die Marken typischerweise „auf Zuruf“ arbeiten. Das Ergebnis ist, dass wir jetzt am Rande eines erheblichen Engpasses stehen. In Vox heißt es dazu: „Diese Probleme haben jetzt eine kritische Masse erreicht. Obwohl die amerikanischen Verbraucher begonnen haben, viel mehr Waren zu bestellen, gibt es keine Flexibilität in der Lieferkette, um diese Nachfrage zu befriedigen.“
Über Tom Newmaster
Tom Newmaster verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung im Bereich CPG-Branding und Verpackungsdesign. Von 1998 bis 2016 leitete er Kreativabteilungen von und gewann Preise für The Hershey Company, Pfizer, Stoner Car Care und Zippo. Er hat neue Produkte für Fresh Solutions Network, Koch’s Turkey, Klamath Basin Fresh Organics und Wolfgang Candy eingeführt, um nur einige zu nennen. Im Jahr 2017 gründete Tom FORCEpkg und hat sich seitdem zu einer führenden Stimme in der Verpackungsbranche entwickelt und für führende Fach- und Mainstream-Wirtschaftspublikationen geschrieben.
