Schmersal: Lösungsanbieter im Zeitalter von Industrie 4.0

Der Schmersal-Firmensitz in Wuppertal heute.
Der Schmersal-Firmensitz in Wuppertal heute.

Die Schmersal-Gruppe bietet das weltweit größte Programm an Sicherheitskomponenten und -systemen für die Maschinensicherheit an, gehört zu den internationalen Markt- und Kompetenzführern auf diesem Gebiet und ist mit ihren Fertigungswerken auf drei Kontinenten präsent. So sieht die Erfolgsbilanz nach 70 Jahren Unternehmensgeschichte aus. Dabei hatte alles ganz bescheiden angefangen …

Als der 34jährige Kurt Andreas Schmersal sich am 30. August 1945 auf den Weg zur IHK Wuppertal machte, um das Unternehmen K.A. Schmersal zu gründen, ging er durch eine Stadt, die zu fast 70 Prozent zerstört war.

Kurt Andreas Schmersal und Ilse Zschucke

Kurt Andreas Schmersal und Ilse Zschucke

Als Kurt Andreas Schmersal 1945 bei der IHK Wuppertal die Zulassung für die Gründung seines Unternehmens beantragte, war Ilse Zschucke zuständig für deren Prüfung und Befürwortung. So lernte sich das spätere Ehepaar an diesem wichtigen Tag kennen.

Der Zweite Weltkrieg war erst seit wenigen Monaten zu Ende, und bei der Firmengründung stand die nackte Existenzsicherung im Vordergrund. Wenige Wochen nach der Antragstellung bei der IHK beteiligten sich die Brüder Ernst und Aurel Schmersal als Gesellschafter an dem jungen Unternehmen.

Das geplante Produktprogramm sollte aus Schaltern und insbesondere Aufzugschaltern bestehen. Nicht ohne Grund: Denn schon der Vater des Firmengründers, Ernst Schmersal Senior, war in den 20er Jahren mit seiner Familie von Stuttgart nach Wuppertal gezogen, um dort Teilhaber einer kleinen Aufzugfirma zu werden. Seine Söhne verfügten als Mechaniker-Meister und Elektromechaniker-Meister über das nötige Know-how.

Aufbruchstimmung erfolgreich genutzt

Gegenüber den Behörden begründete Kurt Andreas Schmersal seine Geschäftsidee damit, dass dringende Reparaturen an Aufzügen und in lebenswichtigen Betrieben wie etwa Krankenhäusern ohne seine Steuergeräte nicht durchgeführt werden konnten. Er war jedoch klug genug, um auch andere, damals vorherrschende Bedürfnisse des Marktes in seiner Planung zu berücksichtigen. Daher gehörten zu den ersten Produkten, die Schmersal in den 40er Jahren herstellte, auch Haushaltsgeräte wie etwa Kocher, Tauchsieder – und Waffeleisen.

Ein Exemplar der berühmten Waffeleisen, die zum Entstehungsmythos zählen, ist noch als Teil einer Ausstellung zur Firmenhistorie in der Hauptverwaltung in Wuppertal zu besichtigen.

Ein Exemplar der berühmten Waffeleisen, die zum Entstehungsmythos zählen, ist noch als Teil einer Ausstellung zur Firmenhistorie in der Hauptverwaltung in Wuppertal zu besichtigen.

Zudem konnten diese Produkte gegen Lebensmittel, Heizstoffe und später auch gegen Maschinen und Materialien für den Bau von Schaltern getauscht werden. Vor der Währungsreform war ein derartiger Tauschhandel in der deutschen Wirtschaft an der Tagesordnung.

Die Belegschaft bestand im Gründungsjahr aus drei Facharbeitern, acht Hilfsarbeitern und einem Angestellten. Schon bald ging es aufwärts: Anfang der 50er Jahre, mit Beginn des Wirtschaftswunders, produzierte Schmersal Schaltgeräte, vor allem Endschalter, für die florierende Bauindustrie.

Kontinuierliche Entwicklung von Innovationen

Schon früh investierte Schmersal in die Entwicklung neuer, innovativer Produkte: Das erste Schmersal-Patent wurde vor 60 Jahren, am 3.November 1955, für einen Schalter für Gleichstromanlagen angemeldet. Eine weitere wichtige Entwicklung zu dieser Zeit waren die Positionsschalter für die Industrie. Bereits Anfang der 60er Jahre befassten sich die Experten mit der Steuerungstechnik. Das führte dazu, dass die erste „Multivisionswand“ des deutschen Fernsehens, die in der Quizshow „Einer wird gewinnen“ von Hans-Joachim Kulenkampff für Aufsehen sorgte, mit dem Mattenschaltwerk von Schmersal gesteuert wurde.

Produktion von Schaltgeräten in den 50iger-Jahren.

Produktion von Schaltgeräten in den 50iger-Jahren.

Mit der zunehmenden Automatisierung der Industrie konzentriert sich der Entwicklungs- und Fertigungsschwerpunkt in den 1960er Jahren auf Schaltgeräte für den Maschinen- und Anlagenbau.

In den 70er Jahren begann Schmersal als eines der ersten Unternehmen mit der Entwicklung und Produktion von induktiven Näherungsschaltern, also von Sensoren, die ohne direkten Kontakt zu dem zu erfassenden Objekt ein binäres Signal („Objekt erkannt/nicht erkannt“) zur Verfügung stellen konnten. Das war der Einstieg in die Produktion von berührungslos wirkenden Sicherheitsschaltgeräten, die heute aufgrund ihrer Vorteile in punkto hygienegerechtes Design vor allem in der Verpackungsindustrie stark nachgefragt werden.

Sicherheitsanforderungen vereinheitlicht

Anfang der 80er Jahre erschloss sich Schmersal ein neues Aufgabenfeld: Die damals aufkommende Normung hatte zur Folge, dass spezielle Sicherheitsschaltgeräte erforderlich waren. Bis 1980 hatte nahezu jede Branche in der Maschinensicherheit ihre eigenen Vorschriften. Die Sicherheitsanforderungen bei verschiedenen Einsatzbereichen von Maschinen waren ganz unterschiedlich. Erst in den 80er Jahren entstanden dazu einheitliche Normen, die mit Einführung des Europäischen Binnenmarktes Anfang der 90er Jahre auch auf internationaler Ebene harmonisiert wurde.

Schmersal stellt auf der SPS 2014 erstmals die modulare, programmierbare Sicherheitssteuerung PROTECT PSC1 vor.

Schmersal stellt auf der SPS 2014 erstmals die modulare, programmierbare Sicherheitssteuerung PROTECT PSC1 vor.

Die Folge war eine steigende Nachfrage der Unternehmen nach Sicherheitsschaltgeräten. Diese Entwicklung hat Schmersal frühzeitig erkannt und seine Angebotspalette darauf ausgerichtet. Nicht zuletzt auch durch technische Innovationen: 1981 wurden die Sicherheitsschalter AZ 15 und AZ 16 entwickelt diese Typen zum Patent angemeldet. Sie waren Meilensteine der Sicherheitstechnik und sind bis heute die meistverkauften Schaltertypen des Unternehmens.

300 Patente in 70 Jahren

Insgesamt hat Schmersal bis heute fast 300 Erfindungen zum Patent angemeldet. Aktuell fokussiert das Unternehmen seine Entwicklungsanstrengungen auf programmierbare Sicherheitssteuerungen und hat bereits einige Varianten erfolgreich in den Markt eingeführt. Erst im Herbst 2014 präsentierte Schmersal die neue programmierbare, modulare Sicherheitssteuerung PROTECT PSC1, die multifunktional einsetzbar ist.

Die neue Sicherheitssteuerung PROTECT PSC1 ist modular erweiterbar und eignet sich damit gut für modular aufgebaute Verpackungsmaschinen.

Die neue Sicherheitssteuerung PROTECT PSC1 ist modular erweiterbar und eignet sich damit gut für modular aufgebaute Verpackungsmaschinen.

Auch im Bereich der kooperativen Arbeitssysteme für die Zusammenarbeit von Mensch und Roboter hat man für die sichere Bewegungsüberwachung bereits Ende der 90er Jahre Grundlagenentwicklungen geliefert, die heute weltweit zahlreiche Roboteranwendungen ermöglichen.

Trend zur Globalisierung frühzeitig erkannt

Den Trend zur Globalisierung erkannte Schmersal frühzeitig und begann konsequent mit der Internationalisierung von Vertrieb und Produktion. Bereits 1974 wurde die Tochtergesellschaft ACE Schmersal in Brasilien gegründet. 1999 folgte der erste Produktionsstandort in China und seit 2013 ist das Unternehmen mit einem eigenen Fertigungswerk in Indien vertreten.

Auch in Deutschland gewann Schmersal seit den 90er Jahren durch Unternehmensübernahmen neue Produktionsstandorte hinzu. Heute verfügt die Gruppe über vier Produktionsstandorte in Deutschland und drei weitere in Asien und Südamerika und ist mit Tochtergesellschaften und Handelsvertretungen weltweit in rund 60 Ländern präsent.

Branchenspezialist für den Verpackungsmaschinenbau

Schmersal hat sich mit seinem Know-how in den vergangen Jahren zum Branchenspezialisten entwickelt, der Beratungsdienstleistungen, sicherheitstechnische Systemlösungen und maßgeschneiderte Produkte für die speziellen Anforderungen der Nahrungsmittel- und Verpackungsmittelmaschinenhersteller liefert. Hier arbeiten die Maschinen und Anlagen oft mit sehr hohem Tempo und kurzen Taktraten. Dabei sind sie häufig in komplette Produktions- und/oder Verpackungslinien eingebunden. Infolgedessen muss bei der Auswahl und Gestaltung von Sicherheitssystemen darauf geachtet werden, dass die Schutzeinrichtungen die Produktionsabläufe nicht unterbrechen oder die Produktivität der Anlagen beeinträchtigen.

Sie müssen stattdessen mit höchster Zuverlässigkeit arbeiten. Die Sicherheitsschaltgeräte von Schmersal zeichnen sich durch Langlebigkeit auch unter widrigen Bedingungen und im 24-Stunden-Betrieb aus. Viele Baureihen – gerade solche, die bevorzugt im Verpackungsmaschinenbau zum Einsatz kommen – sind so konzipiert, dass ein Stopp der Maschine möglichst verhindert wird.

Das Unternehmen heute

Die Schmersal-Gruppe entwickelt und produziert heute rund 25.000 verschiedene Schaltgeräte und ist mit diesem Sortiment einer der größten Anbieter der Welt. Auf dem Gebiet der Maschinensicherheit gehört sie zu den internationalen Markt- und Kompetenzführern. Und das auf einer soliden wirtschaftlichen Grundlage: Auch im vergangenen Jahr konnte der Umsatz wiederum um etwa sieben Prozent gesteigert werden und die Zahl der weltweiten Mitarbeiter stieg 2014 von 1.600 auf 1.750.

Die geschäftsführenden Gesellschafter der zweiten und dritten Inhabergeneration: Heinz und Philip Schmersal.

Die geschäftsführenden Gesellschafter der zweiten und dritten Inhabergeneration: Heinz und Philip Schmersal.

„Auf unseren Erfolgen wollen wir uns nicht ausruhen, sondern wir treiben die vor einigen Jahren beschlossene strategische Neuausrichtung weiter voran. Unser Ziel ist es, unsere Marktposition als System- und Lösungsanbieter weiter auszubauen“, erklärt Philip Schmersal geschäftsführender Gesellschafter der K.A. Schmersal GmbH & Co. KG.

„Wir wollen unseren Kunden ganzheitliche Lösungen bieten. Dazu gehört auch das Safety Consulting“, erläutert er. „Die Experten des Geschäftsbereichs tec.nicum, unserer Dienstleistungssparte, beraten unsere Kunden etwa bei der Auswahl der geeigneten Schutzeinrichtung oder führen beispielsweise sicherheitstechnische Analysen vorhandener Maschinen und Risiko- und Gefährdungsbeurteilungen durch. Auch das Application-Engineering ist eine Dienstleistung des tec.nicum. Dabei steht die Umsetzung von sicherheitstechnischen Lösungen im Vordergrund. Wir begleiten unsere Kunden vom Erstkontakt bis zur Inbetriebnahme“.

Schmersal will deshalb 2015 das Safety Consulting auch organisatorisch stärken: Es soll ein weltweites Netz von qualifizierten Safety Engineers aufgebaut werden.