Ökobilanzen haben mit der Nachhaltigkeitsdebatte einen regelrechten Boom erlebt, denn sie treffen Aussagen, wie umweltfreundlich und nachhaltig eine Verpackung, ein Herstellungsprozess oder eine Dienstleistung ist. Doch die Ergebnisse führen auch immer wieder zu Fehleinschätzungen, meint das bifa Umweltinstitut, zu dessen Arbeitsschwerpunkten die Methode seit 25 Jahren gehört.
Wer die News aus der Verpackungsbranche verfolgt, stößt häufig auf den Begriff „Ökobilanz“. Damit belegen etwa Papierverarbeiter, dass ihr Papier besser abschneidet als Kunststoff, während sich Kunststoffhersteller bestätigt sehen, dass ihre Folienverpackung die beste Lösung für bestimmte Anwendungen ist. Und der Verbraucher? Ist verwirrt. So einfach sei das auch nicht mit den Ökobilanzen, meint Thorsten Pitschke, Projektmanager am bifa Umweltinstitut. Gute fachliche Praxis sei zwar in den DIN-Normen 14040 und 14044 beschrieben, aber: „Ökobilanzierung ist kein geschützter Begriff, und jeder Bilanzierer setzt andere Schwerpunkte. Daher können auch Ergebnisse, die sich scheinbar widersprechen, durchaus richtig sein.“
Ökologische Bewertung aus dem Bauch heraus sei keine gute Idee, meinen die Bilanzierer, denn eine ökologische Bewertung von Produkten, Prozessen oder Dienstleistungen entlang des gesamten Lebenswegs brauche gezieltes Vorgehen. Gute Modelle für Ökobilanzen aber sind hochkomplex. Das bifa arbeitet daher mit professioneller Software, umfangreichen Datenbanken, eigenen Datenbeständen und viel Erfahrung.
Der tatsächliche ökologische Stellenwert von Themen werde häufig überschätzt, wenn sie in der Öffentlichkeit längere Zeit intensiv diskutiert werden, so das Umweltinstitut. Ein Beispiel: In der öffentlichen Wahrnehmung liegen die Vorteile von Mehrwegprodukten scheinbar auf der Hand. Tatsächlich muss ein ökologischer Vergleich von Einweg- und Mehrweglösungen aber für jeden Einzelfall erfolgen. Die Ergebnisse überraschen manchmal, denn Mehrweglösungen können auch schlechter abschneiden oder die Unterschiede zu Einwegverpackungen gar nicht so groß sein.
Ähnlich differenziert sehen Ökobilanzierer das Thema Recycling. Die Wiederverwertung von Verpackungen leistet einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung des Rohstoffverbrauchs. Aber bei der Analyse kann durchaus eine nicht recyclingfähige Verpackung aus Verbundfolie, die mit geringem Materialeinsatz auskommt, ökologisch besser abschneiden als eine recyclingfähige Verpackung, für die viel größere Materialmengen eingesetzt werden.
Generell gute oder schlechte Verpackungen gibt es nicht, meint Projektmanager Thorsten Pitschke.
„Wir betrachten immer den Einzelfall genau: Wie viel Material wird hier verwendet, wie viele Wiederverwendungen erreichen Mehrwegverpackungen und vieles mehr. Als Ökobilanzierer verkneifen wir uns pauschale Urteile, denn Aussagen wie ‚Mehrweg ist besser als Einweg‘ oder ‚Papier ist umweltfreundlicher als Kunststoff‘ sind nicht richtig. Jedes Material hat Vor- und Nachteile.“
Den ökologischen Fußabdruck betrachten
Heute wird häufig nur der CO2-Footprint und damit der Aspekt der Klimawirksamkeit betrachtet. Ökobilanzen bieten aber die Möglichkeit, ein Bündel an Umweltwirkungen zu berücksichtigen und auszuwerten. Die Ergebnisse einer solchen Analyse sind aber meist nicht schwarz oder weiß, sondern liegen in vielen Grautönen dazwischen. Ökobilanzergebnisse sind zudem immer nur Momentaufnahmen. Produkte und Prozesse mit schlechter Ökobilanz können besser werden, auch die Bewertungskriterien können sich verändern. In vielen Analysen ist der Energiebedarf eine wichtige Einflussgröße. Doch gerade hier passiert in den Unternehmen viel: Erfolgt etwa ein Umstieg von Kohlestrom auf erneuerbare Energien, verändert das auch die Ökobilanz. „Wir spielen daher verschiedene Szenarien durch und fragen, was würde sich ändern, wenn andere Energiequellen genutzt oder andere Materialien verarbeitet werden.“
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