Gemischte und kontaminierte Kunststoffabfälle sind die größte Herausforderung für das Recycling. Mit Carboliq ist ein Verfahren im großtechnischen Einsatz, das Kunststoffabfälle, für die bisher die Verbrennung der einzige Entsorgungsweg war, wieder in Öl umwandelt. Das gleichnamige Unternehmen betreibt in Ennigerloh eine Pilotanlage und kooperiert mit Südpack.
Chemisches Recycling kann ein wichtiger Baustein für die Kreislaufwirtschaft sein und sollte immer dann zum Einsatz kommen, wenn mechanisches Recycling an seine Grenzen stößt. Das sieht auch der schwäbische Hersteller von Hochleistungsfolien für das Verpacken von Lebensmitteln und Medizingütern, Südpack, so.
“Bereits vor 20 Jahren hatte mein Vater, der Unternehmensgründer Alfred Remmele, die Vision, dass das chemische Recycling eine Zukunftstechnologie für die Verwertung von Kunststoffen sein könnte, die nicht mechanisch trennbar und rezyklierbar sind. Da der Stand der Technik damals noch nicht ausgereift war, blieb es zunächst bei dieser Vision.“
Johannes Remmele, Südpack-Inhaber
Damals bestand das Portfolio des Unternehmens noch aus weitaus mehr Verbundfolien. In den letzten Jahren hat Südpack den Anteil recyclingfähiger Monostrukturen zwar stark ausgebaut, dennoch sind Verbundfolien für viele Anwendungen nach wie vor unverzichtbar. „Das viel diskutierte ‚Müllproblem‘, das durch die Herstellung eben dieser Verpackungen gemeinhin generiert wird, ist nur ein Aspekt – und greift nicht weit genug“, meint Johannes Remmele. „Südpack produziert keinen Müll, sondern hochwertige Funktionsfolien, die einen maßgeblichen Beitrag zum Schutz von Lebensmitteln und Pharmazeutika leisten. Zu Müll werden Folien nur dann, wenn es nicht gelingt, geeignete Systeme aufzubauen, mit denen diese Materialien im Kreislauf geführt werden können. Und genau hierfür ist das chemische Recycling als komplementäre Technologie ein essenzieller Baustein.“
Zukunftsfähige Technologie
Südpack hat daher eine strategische Kooperation mit Carboliq geschlossen, der Sparte für chemisches Recycling des Remscheider Unternehmens Recenso. Das Ziel: die in Kooperation mit dem Entsorgungsunternehmen Ecowest im münsterländischen Ennigerloh betriebene Pilotanlage zur Verölung von Kunststoffabfällen dafür zu nutzen, die eigenen Wertstoffströme zu recyceln, die bei der Herstellung von Verpackungsfolien entstehen. Das Kooperationsprojekt habe bereits gezeigt, wie eine Anlage ausgelegt sein muss, um die unterschiedlichen Fraktionen zu verarbeiten, sodass diese eben nicht der thermischen Verwertung zugeführt werden müssen.
“Carboliq ist aus heutiger Sicht eine einzigartige und vor allem zukunftsfähige Technologie – nicht nur in Bezug auf die Verwertungsmöglichkeiten, sondern auch in Bezug auf Energieeffizienz und die geringe Immissionsbelastung. Wir sind damit der einzige Hersteller von flexiblen Folien, der direkten Zugang zu Kapazitäten für das chemische Recycling hat. Mehr noch: In Kombination mit unserem Standort in Schwendi, an dem Kapazitäten für die mechanische Aufbereitung vorhanden sind, sind wir in der Lage, immer die Technologie anzuwenden, die in Bezug auf Umweltauswirkungen und Wirtschaftlichkeit die bessere ist.“
Johannes Remmele
Auch Dirk Hardow, Leiter Business Unit Functional Films & Compounds bei Südpack, ist überzeugt: „Künftig wird es nur mit mechanischem und chemischem Recycling gelingen, die Kreisläufe für Lebensmittelverpackungen zu schließen.“ Im Zuge der Kooperation mit Carboliq habe man bereits den Nachweis führen können, dass mit dem Verfahren Mehrschichtfolien erfolgreich rezykliert werden können. „Die Technologie ist robust und marktreif.“
Neue Anlage nahe Köln geplant
Bei dem stofflichen Recyclingverfahren der Direktverölung wird in einem einstufigen Prozess das Abfallmaterial verflüssigt – bei Prozesstemperaturen unter 400 °C erzielt das Verfahren eine hohe Ölausbeute. Der Carboliq-Prozess wird mittels Friktion, das heißt per Reibungswärme betrieben. Dazu wurden spezielle rotierende Aggregate entwickelt, die die erforderliche Energie direkt ins Material bringen. Dieses zirkuliert im Reaktor, bis die Kettenlängen so kurz sind, dass das Material abdampft. Die Dämpfe werden kondensiert und das Kondensat zur Phasentrennung in einen Öl-Wasser-Abscheider geleitet. Das flüssige Produkt vermarktet Carboliq dann unter dem Namen CLR (Circular Liquid Resource).
Die Pilotanlage in Ennigerloh ist als Recyclinganlage für den vollkontinuierlichen Betrieb genehmigt und seit März 2021 entsprechend der Nachhaltigkeitskriterien nach ISCC-Plus zertifiziert. Und Carboliq hat bereits weitere Pläne.
“Demnächst wird voraussichtlich eine Investitionsentscheidung für den Bau einer neuen Anlage südlich von Köln getroffen. Sie soll für eine Kapazität von 10.000 Tonnen Output pro Jahr ausgelegt werden und 2025 mit den ersten Produkten auf den Markt kommen.“
Christian Haupts, CEO Carboliq
Der Carboliq-Geschäftsführer rechnet vor: „Allein in Deutschland werden jedes Jahr mehr als sechs Millionen Tonnen Plastikmüll erzeugt und behandelt. Statistisch wird etwa die Hälfte energetisch und stofflich genutzt. Wenn die zur Verbrennung vorgesehenen Kunststoffe auch nur zur Hälfte mittels Carboliq-Verfahren aufgearbeitet werden, steigt die Recyclingquote für Kunststoffe um mehr als 50 Prozent, die CO2-Emissionen durch Verbrennung reduzieren sich um mehr als 40 Prozent und es entsteht ein Ertragspotenzial aus dem Verkauf von CLR von mehr als zwei Milliarden Euro.“
Chemisches Recycling bietet viele Möglichkeiten
Die Technologie zeigt eine hohe Toleranz gegenüber Verunreinigungen und Sortenmischungen. Daher eignet sich das Carboliq-Verfahren für unterschiedlichste, auch verunreinigte, gemischte oder andere Kunststoffe. Ebenso wie für flexible Verpackungen und für die Wiederverwertung von hochkomplexen Mehrschichtfolien aus mehreren Kunststoffarten, die insbesondere in der Lebensmittelindustrie üblicherweise zum Einsatz kommen. „Im Vergleich zum mechanischen Recycling bietet das chemische Recycling also deutlich mehr Möglichkeiten, da es auf die Rückgewinnung der Wertstoffbauteile durch thermische Zersetzung abzielt. Wir müssen allerdings die Zusammensetzung des Infeeds kennen, um eine Anlage optimal zu fahren und am Ende Material zu erhalten, das sich in großchemischen Industrieanlagen wie einem Cracker verarbeiten lässt“, sagt Christian Haupts.
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