Horváth-Studie: Nachhaltigkeit mehr als nur Trend?

(Bild: New Africa/Shutterstock)

Der Verpackungsmarkt befindet sich im Wandel: Nachhaltigkeit, veränderte Kundenanforderungen, Digitalisierung, die Kommodifizierung beziehungsweise zunehmende Substituierbarkeit  der Produkte sowie ein kompetitives Wettbewerbsumfeld sind einige der bestimmenden Faktoren der Branche. Wie sollten sich Hersteller also für die Zukunft aufstellen?

Die Zukunft der Verpackungsindustrie wird im Rahmen einer Studie der Managementberatung Horváth im Detail beleuchtet: Aktuelle Trends wurden auf Basis von umfangreicher Projekterfahrung sowie einer Vielzahl an Interviews mit dem Topmanagement europäischer Verpackungshersteller identifiziert. Aus den Ergebnissen wurden Thesen und Stoßrichtungen der zukünftigen Entwicklung der Branche abgeleitet – mit Nachhaltigkeit als maßgeblichem Treiber von Veränderungen in der Branche. Handlungsempfehlungen für die Verpackungsunternehmen komplettieren die Studie und zeigen auf, wie Marktteilnehmer die Entwicklungen für sich nutzen können.

Der Verpackungsmarkt wächst stetig, unter anderem getrieben durch die Hochkonjunktur des E-Commerce bei Konsumverpackungen in Europa mit vier bis fünf Prozent pro Jahr. Eine fragmentierte Unternehmenslandschaft, starker Wettbewerb in einigen Segmenten und damit Margen- und Innovationsdruck sowie die Möglichkeiten eines raschen Markteintritts und raschen Wachstums durch Zukauf werden, wie die vorliegende Studie zeigt, die Branche weiter konsolidieren und die großen Player weiter wachsen lassen.

Wettbewerbsfaktor Nachhaltigkeit

Richtungsweisender Trend in der Branche bleibt Nachhaltigkeit, dessen Bedeutung noch steigen wird und sukzessive zur Commodity werden wird. Das heißt Unternehmen, die auf das Thema Nachhaltigkeit keine passende Antwort haben, werden früher oder später am Markt nicht mehr überlebensfähig sein. Die Horváth-Studie identifiziert zahlreiche Faktoren für die gestiegene Bedeutung der Nachhaltigkeit und identifiziert Materialkompetenz als einen wichtigen, wenn nicht den wettbewerbsentscheidenden Faktor.

Für die Hersteller steht, wie in der Studie aufgezeigt wird, der gesamte Lebenszyklus der Verpackung im Fokus – von der Entwicklung und Herstellung über den Gebrauch bis zur (Wieder-)Verwertung. Ein übergeordneter Kerngedanke ist die Kreislaufwirtschaft mit dem Ziel, recycelte Materialien so lange wie möglich wiederzuverwenden, wie folgend dargestellt:

(Grafik: Horváth)

Wesentlicher Aspekt der Circular Economy für die Verpackungsbranche ist der ressourcenschonende Einsatz von Verpackungsmaterialen im gesamten Lebenszyklus. Insbesondere biologisch abbaubare Verpackungen und die Substitution von nicht-nachwachsenden durch nachwachsende Rohstoffe rücken vermehrt in den Fokus. So spielt die Substitution von Plastik durch Papier eine zentrale Rolle: Entwicklungen von papier- und faserbasierten Verpackungen mit guten Barriereeigenschaften können den Einsatz von schwer recyclebaren Mischverpackungen mit Kunststoffanteilen ersetzen. Innerhalb der Plastikverpackung geht es um die Substitution von Misch- durch recyclebare Monomaterial-Verpackungen. Wichtig ist dabei, dass durch einen veränderten Ressourceneinsatz die ursprünglichen Eigenschaften der Verpackung nicht zum Nachteil der Schutz- und Haltbarkeitsfunktion geändert werden, was signifikante Anstrengungen in der Produktentwicklung erfordert.

Ein weiterer, vor allem aus Konsumentensicht wichtiger Aspekt, durch die sich Hersteller differenzieren können, ist die Verpackungs- bzw. Abfallvermeidung. Betrachtet man die fünfstufige Hierarchie der Abfallwirtschaft, wird deutlich: Je weiter oben eine Stufe angesiedelt ist, desto größer ist das Potenzial zur Müllvermeidung:

(Bild: Horváth)

Damit ist wenig überraschend Verpackungsvermeidung der größte Hebel, der sich auch in der signifikant gestiegenen Materialeffizienz in den letzten Jahren quer durch alle Verpackungsarten zeigt. Auch regulatorisch ist die Wiederverwendung und das Recycling von Verpackungsmaterial in den Fokus gerückt – so wurde 2018 auf europäischer Ebene im Rahmen des EU-Abfallpakets beschlossen bis 2025 für die maßgeblich in Verpackungsabfällen enthaltenen Materialien, wie Papier, Karton, Metalle, Glas oder Kunststoffe, Recycling-Richtwerte von bis zu 75 Prozent erreichen. Um diese Ziele zu erreichen, ist es notwendig, Rohstoffe möglichst effizient und lange im Kreislauf zu halten. Wie unsere Studie zeigt, werden die Recycling-Ströme für Plastik zu einer Herausforderung für die Branche werden.

Der größte Druck Richtung Nachhaltigkeit, so die Studienergebnisse, kommt allerdings von den Kunden der Verpackungsindustrie sowie den Konsumenten. Eine weitere, aktuelle Studie von Horváth aus dem Konsumgüter-Bereich zeigt, dass rund drei Viertel der Konsumenten beim Produktkauf auf Nachhaltigkeitsaspekte der Produkte achten und dafür auch eine höhere Kaufbereitschaft gegeben ist. Da muss auch die Verpackung ins nachhaltige Produkt-Konzept passen und als solche nachweisbar gekennzeichnet sein.

Hinsichtlich der Verpackung als Produkt bietet der Markt Differenzierungsmöglichkeiten nicht nur Richtung Nachhaltigkeit, sondern auch Convenience. Eine digitale Möglichkeit von zweiterem ist die Erweiterung der klassischen Funktionen der Verpackung um weitere „intelligente“ Eigenschaften im Sinne eines „Smart Packaging“ (zum Beispiel Rückverfolgbarkeit, spezifische Interaktion/Reaktion mit dem verpackten Produkt oder Sensorik).

Abgeleitete Handlungsempfehlungen

Basierend auf den identifizierten Markttrends und Treibern des Verpackungswandels entwickelt Horváth in seiner Studie mehrere Handlungsempfehlungen für Konzerne der Verpackungsindustrie, um sich auch in Zukunft eine relevante Position am Markt zu sichern. Zur Optimierung der allgemeinen Kosteneffizienz gibt es in der Verpackungsindustrie eine Vielzahl an Hebeln, die adressiert werden können: neben technischen und kommerziellen Hebeln im Einkauf und der Supply Chain, Produktionsoptimierungen vom Produktions-Footprint bis zu Shopfloor, marktorientiertem Pricing und Professionalisierung der Vertriebsorganisation stellen auch die zielgerichtete Integration von Zukäufen zur Hebung der Synergien und der Aufbau von Digitalisierungskompetenz zur bereichsübergreifenden Effizienzsteigerung und Automatisierung großes Optimierungspotenzial dar. Diese Effizienzsteigerung wird künftig jedoch kein Marktvorsprung mehr sein, sondern Vorbedingung, um am Markt überhaupt noch wettbewerbsfähig zu sein.

Die echte Differenzierung zur Konkurrenz wird nur durch zielgerichtetes Management des Entwicklungs- und Innovationsprozesses und -portfolios sowie Verankerung des Themas Nachhaltigkeit in der Unternehmens-DNA gelingen. Innovationen sind hierbei nicht nur auf Produkte beschränkt, sondern sollten auch breiter hinsichtlich des Ausbaus der eigenen strategischen Stärken bis hin zu ganzen Geschäftsmodellen oder – im Falle von Nachhaltigkeit – auch im Sinne der Corporate Social Responsibility (CSR) und aller Sustainable Development Goals (SDG) gedacht werden. So könnte ein Unternehmen beispielsweise sein „Nachhaltigkeits-Know-how“ in den Bereichen Materialien, Verpackung und Verpackungsentwicklung als Beratungsdienstleistung für Kunden anbieten. Innovativ nachhaltig können auch Prozesse innerhalb des Unternehmens sein, etwa an den Schnittstellen zum Kunden. Die Potenziale sind vielfältig.

Gastautoren: Christoph Kopp, Studienleiter & Leiter Industrial Goods & High.Tech Österreich bei Horváth und Thomas Hirnschall, Senior Project Manager Industrial Goods & High-Tech bei Horváth

Link zur Studie: „Die europäische Verpackungsindustrie – Trends, Perspektiven und Erfolgsfaktoren in einem kompetitiven Marktumfeld“ 

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