SoVi-App macht Gedrucktes hörbar

SoVi-App von SonicView
Die SoVi-App erleichtert den Zugang zu Produktinformationen. (Bilder: SonicView)

Mit geschlossenen Augen fühlen sich viele Verpackungen gleich an. Erst Abbildungen und Text zeigen uns, was verpackt ist. Doch wie soll man einkaufen, wenn man blind ist? Dieser Frage ist Meike Seidel schon in ihrem Studium nachgegangen. Und hat eine App entwickelt, die nicht nur dieser besonderen Zielgruppe den Zugang zu Produktinformationen im Lebensmittelbereich erleichtern will.

Meikel Seidel hat ursprünglich Innenarchitektur studiert. Die Problematik, wie blinden Menschen der selbstständige Einkauf ermöglicht werden kann, hat sie schon damals beschäftigt. Und so ging es in ihrer Masterarbeit im anschließenden Studium Design und Medien an der Hochschule Hannover darum, das Scannen von Verpackungen zu vereinfachen und die Informationen darauf akustisch wiederzugeben.

„Ich arbeite seit acht Jahren in diesem Bereich und habe schon 2015 einen Newcomer-Innovationspreis gewonnen mit der Vision, Verpackungen vollflächig zu codieren, um blinden Menschen das Scannen zu vereinfachen und damit das selbstständige Einkaufen ihrer Lebensmittel zu ermöglichen.“ 

Meike Seidel

Damals war das noch Utopie. Erst ein Jahr später präsentierte das US-Unternehmen Digimarc eine neue Kennzeichnungstechnologie, den Digital Watermark Code, kurz DW Code. Er versteckt sich unsichtbar im Farbdruck der Verpackungen und sorgt für die weltweit eindeutige Identifizierung von Produkten. Da der Code viele weitere, online abrufbare Informationen tragen kann, erlaubt er auch eine neue Art der Kommunikation mit dem Endverbraucher.

Nicht nur für blinde Menschen hilfreich

Nach dem Studium gründete Meike Seidel ihr eigenes Unternehmen SonicView und entwickelte eine App, die neben Barcodes auch den DW Code liest. Dank der vollflächigen Codierung mit dem digitalen Wasserzeichen können Produkte im Regal stehend gescannt werden, ohne berührt oder gedreht werden zu müssen. „Für sehbehinderte und blinde Menschen ist der DW Code ein Geschenk, denn sie müssen nicht länger den Barcode auf der Verpackung suchen, um ein Produkt zu scannen.“

Doch ob digitales Wasserzeichen oder Barcode, die smarte SoVi-App macht Produktinformationen hörbar – über die Sprachausgabesysteme TalkBack und VoiceOver. Ursprünglich für Blinde entwickelt, bietet sie aber noch mehr, denn Informationen auf Lebensmittelverpackungen werden immer komplexer und unübersichtlicher, und so bereitet das Kleingedruckte auch vielen sehenden Menschen Schwierigkeiten.

Zudem sind Nutzer mit Allergien, Unverträglichkeiten, Stoffwechselerkrankungen oder Diabetes ebenfalls auf den Zugang zu Produktinformationen angewiesen. Sie können in der SoVi-App persönliche Ernährungsprofile anlegen und bekommen dann stets die für sie passenden Informationen. Vor allem aber ermöglicht die App Barrierefreiheit für Menschen mit verschiedenen Formen der Sehschwäche. Sie ist sogar über die elektronische Braille-Zeile steuerbar und macht dann alle Inhalte und Informationen haptisch fühlbar und damit zugänglich für taubblinde Menschen.

Die App greift auf zwei Datenbanken zu: Bei jedem Scan fragt SoVi als Erstes im verifizierten GDSN-Datenpool von Atrify nach. Hier geben Hersteller selbst ihre Produktdaten ein und sind verpflichtet, diese stets richtig und aktuell zu halten. Hält dieser Datenpool keine Produktdaten bereit, greift die App auf die Open-Source-Datenbank von OpenFoodFacts zu, in der jeder Nutzer selbst Produktinformationen eingeben kann, die dann für alle verfügbar sind.

Seit Kurzem ist Meike Seidel nicht nur Gründerin eines IT-Start-ups, sondern auch Forschungsprojektleiterin. Um über den Zugang zu Produktinformationen hinaus den Lebensmitteleinkauf für blinde Menschen barrierefrei zu gestalten, startete unter der Leitung von SonicView im August 2022 das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsprojekt ARGUS. Als Verbundpartner sind das Institut für Verbraucherinformatik der Hochschule Bonn Rhein-Sieg, das im Bereich künstliche Intelligenz tätige Start-up VAGO Solutions und die Firma Petanux mit an Bord. Gemeinsam wollen sie einen smarten digitalen Agenten entwickeln: eine KI-gesteuerte Brille, die blinde Menschen bei der Orientierung in Geschäften, der Produkterkennung sowie Informationsversorgung unterstützen soll.

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