Verpackungen werden immer „smarter“. Lückenloses „Track and Trace“ ist üblich. Es gibt bereits erste Praxislösungen für die Interaktion zwischen Verpackungen und Mobilgeräten. Trotzdem hat sich „Smart Packaging“ noch nicht auf breiter Front durchgesetzt. Einiges spricht dafür, dass die Logistik eine Vorreiterrolle für die Verpackungsentwicklung in der „Industrie 4.0“ einnehmen wird.
Lebensmittelverpackungen können den Frischezustand ihres Inhalts anzeigen. In den USA sind für Fisch- und Meeresfrüchteverpackungen bereits Etiketten mit sogenannten TTI-Indikatoren verpflichtend, die auf UV-Lichtmengen mit Farbveränderungen reagieren. In Europa gab es dazu von 2010 bis 2014 das groß angelegte Projekt „IQ Freshlabel“. Andere Lösungen bauen darauf, die Verpackungsinnenseite mit Substanzen zu beschichten, die auf Stoffwechselprodukte verderbender Lebensmittel reagieren. Bis zur Durchsetzung von Industrie 4.0 in der Verpackungsindustrie ist es aber noch ein weiter Weg.
Lebensmittelverpackungen wie die gerade beschriebenen werden als „aktiv“ bezeichnet, weil sie – je nach Zustand des verpackten Produkts – wechselnde Informationen bereitstellen. Auf dem Weg in die „Industrie 4.0“ werden aber Verpackungen benötigt, die mehr können und tatsächlich „intelligent“ sind, weil sie mit ihrer Umwelt interagieren und auf Informationen von außen reagieren. Die Frische-Informationen der Lebensmittelverpackung könnten beispielsweise per QR-Code-Scanner, RFID oder „Near Field Communication“ (NFC) ausgelesen, dokumentiert und verarbeitet werden.
Mit Hilfe solcher Technologien könnten auch auf Verbrauchsverpackungen Zusatzinformationen und Interaktionsmöglichkeiten für die Verbraucher bereitgestellt werden. Obwohl nahezu jeder Konsument ein internetfähiges Smartphone besitzt und entsprechende Angebote nutzen könnte, gibt es sie nur selten. Ein Grund dafür könnten die hohen Kosten sein, vermutet Rüdiger Lobitz in einem Beitrag für das Bundeszentrum für Ernährung bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Einen anderen Erklärungsansatz für die zögerliche Marktdurchdringung mit intelligenten Verpackungen bietet das Umweltbundesamt in einer Studie vom März 2017 an: Solche Verpackungen können schlechter recycelt werden als herkömmliche Produkte.
„Smarte“ Verpackungslösungen sind beim „Track and Trace“ längst üblich
In anderen Bereichen haben sich „smarte“ Verpackungslösungen hingegen längst durchgesetzt. Lückenloses „Track and Trace“ der Lieferkette ist nicht nur in der Medizin- und Pharmabranche Standard. Intelligente Verpackungen können Waren identifizieren, lokalisieren und Auskunft über deren Zustand geben. Sie vernetzen sich mit anderen Komponenten der Lieferkette, kommunizieren mit ihrer Umwelt und können autonome Handlungen einleiten, führt Franz Emprechtinger, „Innovation Manager“ bei der österreichischen Lead Innovation Management GmbH in einem Beitrag auf dem Unternehmensblog aus.
Gerade in der Logistik, aber auch in der Produktion wälze die Digitalisierung die Verhältnisse um, weiß Volker Lange, Abteilungsleiter Verpackungs- und Handelslogistik beim Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund. Diese Entwicklung werde mittelbar auch die Verkaufsverpackungen verändern.
„Die Digitalisierung verbindet die reale mit der virtuellen Welt“, sagt Lange. Er spricht von einem sich entwickelnden „Internet der Dinge und der Dienste“. Verbraucher stellten sich online ihre Produkte selbst zusammen, die dann automatisiert, aber trotzdem individuell produziert und maßgeschneidert verpackt zugestellt werden.
Vernetzung und Sensorik ermöglichen interaktive Zusatzfunktionen
Einige Entwicklungen des Fraunhofer IML gewähren bereits jetzt einen Blick in die Zukunft der Logistik- und Packaging-Branche. Das elektronische Pick-System „Pick-by-Ink“ (P-INK) beispielsweise erweitert die Funktionen von Kanban-Karten und passt in die an den meisten Kommissionierbehältern sowieso vorhandenen Halterungen. Ein Sender am Regal sorgt dafür, dass die Karte an der als Nächstes zu bearbeitenden Kiste aktiviert und mit den passenden Informationen versehen wird. Kommissioniervorgänge lassen sich so effizient steuern. Die Karten ermöglichen Interaktion, weil die Kommissionierer Zusatzinformationen eintragen können, die dann drahtlos an das übergeordnete Steuerungssystem gesendet werden.
Fraunhofer IML hat sich auch schon mit intelligenten Paletten und Luftfrachtbehältern befasst. Diese sind je nach Bedarf mit einer umfangreichen Sensorik ausgestattet. Sie erfassen Daten zu Stößen und Schwingungen, Temperatur und Feuchtigkeit und tauschen sie in Echtzeit mit anderen Systemkomponenten aus. Derartige Informationen können auf Apps oder in Datenbrillen übertragen werden. Lagerarbeiter werden mit diesen Hilfsmitteln direkt informiert, wo eine Palette steht, was sich darin befindet, ob vielleicht auf die Unterbrechung der Kühlkette geachtet werden muss und wohin das Behältnis zu transportieren ist.
Massenhafte Produktion von Einzelstücken
Mit intelligenter, weitgehend automatisierter Lagerlogistik wird sich die industrielle Produktion drastisch verändern. Kommunikationstechnik und Sensorik übernehmen die Steuerung und Überwachung der Produktion.
Ein anschauliches Beispiel für diese Art individualisierter Massenproduktion findet sich beim Frühstückscerealien-Versender „Mymuesli“. Dessen Kunden stellen sich online aus mehr als 80 Zutaten ein individuelles Müsli zusammen, berichtet Angela Hengsberger auf dem Lead-Innovation-Blog. Dieses wird dann auf speziellen Anlagen gemixt und vollautomatisch verpackt. Die beim Kunden ankommenden Kartons und Beutel erscheinen gewöhnlich, sind aber das Ergebnis eines hochgradig vernetzten, „intelligenten“ Prozesses.
Verbrauchsverpackungen werden also in der digitalen Zukunft möglicherweise gar nicht so viel anders aussehen als bisher. Davon geht auch der Dortmunder Experte Volker Lange aus. Für wahrscheinlich hält er eine Differenzierung der Verpackungsfunktionen je nach Vertriebsweg. Bislang seien Produktverpackungen für den stationären und den Online-Handel meist identisch. Beim Versand komme lediglich noch eine Umverpackung hinzu. Im Versandhandel würden Transport- und Produktverpackung aber immer häufiger zusammengefasst. Dort stünden die Transport- und die Schutzfunktion im Vordergrund. Die klassische Produktverpackung, die vor allem die Verkaufs- und Informationsfunktion erfüllen müsse, finde sich dann nur noch im Ladenregal.
Belastbare, exakt passende Transportverpackungen aus dem 3D-Drucker
Wie sich auch noch Transportverpackungen automatisiert individualisieren lassen, indem man sie auf dem 3D-Drucker fertigt, hat neben dem Fraunhofer IML eine weitere Dortmunder Einrichtung erprobt: das Institut für Verpackungstechnik (IfV) des Dortmunder Vereins zur Förderung innovativer Verfahren in der Logistik (VVL). Dessen stellvertretender Leiter Jörg Loges wird auf der Logimat 2017 über ein 3D-Druck-Verfahren für individualisierte Verpackungen berichten. Auf der Basis von CAD-Daten des Produkts erstellt eine Software das Modell einer exakt passenden Transportverpackung mit geringstmöglichem Materialeinsatz. Gedruckt wird die Verpackung dann mit strapazierfähigem, elastischem Filament aus Chinagras.
Beim Fraunhofer IML setzt man den 3D-Druck außerdem dafür ein, Verpackungen abheben zu lassen. Dort wurde die Transportdrohne „Bin:Go“ mit einer kugelförmigen Gitterstuktur ummantelt. Diese Struktur, die nach Volker Langes Auskunft so nur im 3D-Drucker gefertigt werden konnte, schützt die Rotoren sowie eine Ladebox für Güter mit einem Maximalgewicht von 700 Gramm. Der Clou dabei: Die Drohne für die Intralogistik fliegt nur, wenn sie größere Höhenunterschiede überwinden muss. Ansonsten rollt sie energiesparend und selbsttätig zum einprogrammierten Ziel.
Der Weg zur drohnengestützten Paketzustellung scheint also vorgezeichnet zu sein. Sollte es so kommen, kommen wiederum neue Herausforderungen auf die Verpackungen zu. Dann müssten sie es nämlich aushalten, aus mehr oder weniger großen Höhen abgeworfen zu werden.