Ein gutes Vierteljahr ist das zentrale Verpackungsregister LUCID bereits in Betrieb. Als wir über den offiziellen Startschuss berichteten, versprachen wir: „Wir werden die Entwicklungen für unsere Leser weiter begleiten.“ Es ist Zeit für eine erste Zwischenbilanz. Sie fällt vorsichtig optimistisch aus.
Eigentlich sind die Pflichten, die sich aus dem Verpackungsgesetz für sogenannte Erstinverkehrbringer von Verpackungen und Umverpackungen ergeben, nichts Neues. Bereits seit 1991 müssen sie ihre Verpackungsmengen bei einem Dualen System registrieren und damit deren ordnungsgemäße Entsorgung oder Wiederverwertung gewährleisten.
151.000 Unternehmen sind bereits registriert
Doch viele Betriebe schlüpften offenbar als „Trittbrettfahrer“ durch die Maschen der Vorschriften der damaligen Verpackungsverordnung. „Die hohe Anzahl an Anfragen von Erstinverkehrbringern, die nicht wissen, was Produktverantwortung ist, hat uns bestätigt, wie notwendig diese Maßnahme und auch das Verpackungsgesetz sind“, stellte die Chefin der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR), Gunda Rachut, zum offiziellen Start von LUCID fest.
Derweil freut sich LUCID über weiteres Wachstum. 151.000 Unternehmen sind mittlerweile registriert, teilte die ZSVR Anfang März auf Nachfrage mit. Das sind über 90.000 Unternehmen mehr, als in Vor-LUCID-Zeiten bei den Dualen Systemen registriert waren. Gunda Rachut rechnet noch bis Ende des Jahres insgesamt mit bis zu 260.000 Unternehmensregistrierungen, wie sie einem Fachmedium sagte. All das veranlasst Dr. Bettina Sunderdiek, Leiterin Kommunikation und Presse beim ZSVR, zu der Feststellung: „Die Botschaft ist im Markt angekommen.“
„Instabilität der Dualen Systeme“?
In Bewegung sind seit dem Start von LUCID die Dualen Systeme geraten. Neun verschiedene Anbieter gab es zu Beginn des Jahres. Mittlerweile sind es nur noch acht. Am 5. März teilte das Kölner Unternehmen „Recycling Kontor“ mit, dass es sein Duales System „RKD Recycling Kontor Dual“ aus wirtschaftlichen Gründen bis Ende März einstellt. Alle RKD-Kunden müssen sich ein neues Duales System suchen. Recycling Kontor kündigte an, sich strategisch neu aufzustellen und unter anderem das Angebot zur Entsorgung von Transportverpackungen auszuweiten sowie Digitalisierungslösungen und Beratungsleistungen anzubieten.
Für viele Unternehmen bedeutete der Ausfall von RKD erheblichen Mehraufwand. Sie müssen die Registrierungs- und Meldeprozeduren mit einem Dualen System erneut durchlaufen.
Wie verlief der LUCID-Start in der Praxis?
Wie verlief die Einführung des Verpackungsregisters ganz praktisch? Einiges erlebt haben die Mitgliedsbetriebe des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau. Sie mussten sich unter kurzfristig anderem ein neues Duales System suchen. Mehr erfahren Sie hier.
Andernorts geraten politische Planungen ins Stocken. Im westfälischen Münster teilte die Stadtverwaltung Mitte März mit, dass das Projekt der Abfallwirtschaftsbetriebe Münster (AWM), ab 2020 eine gelbe Wertstofftonne anstelle der Gelben Säcke einzuführen, sich möglicherweise verzögern werde. RKD sei der Verhandlungspartner aufseiten der Dualen Systeme gewesen.
AWM-Betriebsleiter Patrick Hasenkamp nannte den Vorgang „ein weiteres unrühmliches Kapitel in der Geschichte der Verpackungsentsorgung in Deutschland“ und bemängelte die „Instabilität der Dualen Systeme“.
Finanzierungsfonds für Anreizmodelle?
Damit scheint eine Entwicklung einzusetzen, vor der unter anderem Reinhard Schneider, Chef des Wasch-, Pflege- und Reinigungsmittelherstellers Werner & Mertz, im Januar in einem viel beachteten offenen Brief gewarnt hatte. Bezogen auf Anreizmodelle für recyclinggerechte Verpackungen kursierten „Dumping-Modelle“ einzelner Dualer Systeme, die möglicherweise nicht ausreichend gegenfinanziert seien. Auch RKD-Geschäftsführer Dr. Florian Dühr beklagte in der Mitteilung über die Einstellung des Dualen Systems von RKD einen „hochspekulativen Preiskampf“.
Reinhard Schneider schlug damals eine andere Regelung für die Anreizsysteme vor: „Ein Lösungsansatz könnte in der Schaffung eines gemeinsamen anbieterübergreifenden Finanzierungsfonds liegen.“ Mit dieser Anregung scheint er offene Türen bei den Dualen Systemen einzurennen. Michael Wiener, CEO des Dualen Systems „Der Grüne Punkt“, erklärte auf die Frage nach dem Planungsstand für Anreizsysteme: „Wir bereiten aktuell ein Angebot für unsere Kunden vor. Aus unserer Sicht muss es hierzu aber eine übergreifende Lösung geben, für die wir auch schon einen praxistauglichen Vorschlag gemacht haben. Dieser sieht einen branchenübergreifenden Recyclingfonds vor, aus dem recyclinggerechte Verpackungen nach objektiven Kriterien eine Förderung erhalten können.“ Auch das Duale System „Reclay Systems GmbH“ befürwortete auf unsere Nachfrage ein einheitliches, übergreifendes Anreizsystem für recyclinggerechte Verpackungen. Vonseiten des Dualen Systems der BellandVision GmbH heißt es hingegen, das Kartellamt sehe eine Fondslösung kritisch. Zudem sei eine solche Lösung operativ extrem schwierig umsetzbar, wenn man diese manipulationssicher gestalten wolle. Man selbst spreche mit Kunden über mögliche Anreizmodelle und biete auf Wunsch auch „herstellerbezogene“ Lizenzpreise für „gute“ und „schlechte“ Verpackungen an.
Noch Unklarheiten bei den Mengenmeldungen
Wie klappt aus Sicht der Dualen Systeme grundsätzlich die praktische Umsetzung der Verpackungsmengenmeldungen? Die Reaktionen auf unsere Fragen waren ähnlich.
„Die neuen Vorschriften zu Registrierung und Mengenmeldung nach dem Verpackungsgesetz weisen in die richtige Richtung, müssen aber in Teilen noch praxisgerecht umgesetzt werden.“
Dr. Fritz Flanderka, Geschäftsführer der Reclay Holding GmbH
Offenkundig ist, dass mehr Unternehmen ihrer Meldepflicht nachkommen. Reclay Systems berichtet beispielsweise von einer „deutlichen Zunahme bei Mengenmeldungen mit Schwerpunkt im Kleinkundenbereich“. BellandVision weist darauf hin, dass die Zunahme der Mengenmeldungen nicht allein durch ehemalige „Trittbrettfahrer“ zu erklären sei. Seit diesem Jahr müssten auch sämtliche Tochterunternehmen Einzelmeldungen abgeben. Bis dato hätten Sammelmeldungen der Mutterunternehmen ausgereicht.
Grüner-Punkt-CEO Michael Wiener erwartet noch einen nachträglichen Ansturm von Inverkehrbringern von Leichtverpackungen. Dort zeigten die aktuellen Planmengenmeldungen der ZSVR kaum Veränderungen gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Konkrete Zahlen nennt BellandVision: „Bei den dualen Lizenzmengen gab es im ersten Quartal 2019 bei den Leichtverpackungen aus dem Gelben Sack/der Gelben Tonne eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr um circa fünf Prozent, bei Glas eine Steigerung von circa 5,5 Prozent und bei PPK von circa elf Prozent.“ Die Mengenmeldungen lägen insgesamt noch „hinter den Erwartungen“.
„Es gibt sehr viele Einzelfälle, denen die verpflichteten Hersteller zum Teil ratlos gegenüberstehen.“
Michael Wiener, CEO „Der Grüne Punkt“
Natürlich habe es „gewisse Startschwierigkeiten“ gegeben, räumt Reclay Systems ein. Gleichwohl seien die Meldeprozesse des Verpackungsregisters „im Großen und Ganzen praxisgerecht“.
Das Meldesystem gegenüber der ZSVR sei in den vergangenen drei Monaten bereits einfacher und bequemer geworden, lobt BellandVision. Für die Inverkehrbringer sei dies neben der erstmaligen Registrierung bei der ZSVR mittlerweile nur eine Duplizierung ihrer Meldungen, die sie bereits für die Dualen Systeme erledigt hatten.