packaging journal TV Talk: Die Zukunft der Verpackung bei Procter & Gamble

Jürgen Dornheim - Procter & Gamble

Das packaging journal sucht das Gespräch mit den „packaging people“. Mit Menschen, die die Branche voranbringen. Jürgen Dornheims Aufgabe als Director Corporate Packaging Innovation & Sustainability ist es, die Zukunft der Verpackung Realität werden zu lassen. Und weil er das beim Konsumgüter-Konzern Procter & Gamble tut, geht es um sehr, sehr viele Verpackungen. Ein Gespräch darüber, wohin die Reise geht.

Jürgen Dornheim, Director Corporate Packaging Sustainability & Innovation bei Procter & Gamble (Bild: P&G)

Herr Dornheim, auf Ihrer Visitenkarte stehen die Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „Innovation“ gleich nebeneinander. Geht Nachhaltigkeit also nicht ohne Innovation?

Ja. Wir sind seit vielen Jahren dabei, uns sehr genau zu überlegen, wo wir Spuren hinterlassen, wo wir sie minimieren und wo wir Kreisläufe schaffen oder sie schließen können. Und dass das Thema Innovation dazugekommen ist, zeigt schon, dass Nachhaltigkeit die Innovation benötigt. Meine Hauptaufgabe ist es eigentlich, die Augen und Ohren offen zu halten. Also einerseits zu schauen, was wir besser machen können, andererseits aber auch zu sehen, wo es zum Beispiel bisher keine Lösungen gibt. Und deswegen ist Innovation einer der großen Schwerpunkte meiner Arbeit.

Man möchte jetzt erst mal denken, dass so ein großer Konzern wie Procter & Gamble sich aufgrund seiner Größe und Vielfalt an Marken und Geschäftsbereichen eher schwer mit Veränderungen tut. Das Gegenteil ist aber der Fall. Wie läuft diese Reise bei Ihnen?

Es ist ja nicht so, dass wir alleine auf der Welt sind. Wir haben über die Jahrzehnte etablierte Lieferstrukturen und Materialien. Auf der einen Seite bedarf es des Anstoßes durch uns, dass wir also Vorschläge machen oder Ideen haben, wie man das anders machen kann. Aber dann gibt es eine ganze Lieferindustrie, die man auf diese Reise mitnehmen muss. Und da war auch ich am Anfang erstaunt, wie schwierig das doch manchmal ist, diesen sogenannten Change of Mindset, also auch die Veränderung in den Köpfen, zu starten. Denn sie müssen natürlich auch ihre Lieferanten und auch die Verwerter immer einbeziehen. Und das ist gerade bei den Mengen, die wir teilweise brauchen, nicht ganz so einfach.

Und die Zulieferer sind nur ein Glied in einer langen Kette. Wir hören hier immer wieder, wie wichtig es für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ist, alle Bereiche an einen Tisch zu bringen. Das passiert noch nicht ausreichend, oder welche Erfahrungen haben Sie?

Das ist eine Erkenntnis, die mir eigentlich sehr früh kam. Denn wenn man sich nur ein bisschen in seinem direkten Umfeld umschaut, merkt man, dass hinter der nächsten Stufe jemand anderes arbeitet –und der weiß vielleicht gar nichts von dem Material. Letztendlich geht es ja um den Begriff einer „Kreis“-Laufwirtschaft. Und wie wir alle wissen: Ein Kreis hat keinen Anfang und hat kein Ende.

Ich versuche das unseren Entwicklern immer so zu erklären: „Setzt euch auf eure Verpackung oder reist einfach mal mit ihr.“ Was macht denn zum Beispiel eine Shampooflasche? Was passiert, wenn sie nicht unbedingt den Weg nimmt, den wir möchten? Und wenn sie „vom Weg abkommt“, wissen wir, wie wir das ändern können? Wie lässt sich hier Einfluss nehmen, bzw. welchen Verantwortlichen kann man ansprechen, um kooperative Lösungen zu finden?

Entscheidend ist auch die Frage an die Entwickler, ob sie froh sind, wenn ihre Shampooflasche in recyceltem Zustand auch wieder als solche zurückkommt. Denn wenn sie sagen, nein, wir sind froh, dass das Material weg ist, dann haben wir etwas falsch gemacht. Dann antworte ich:„Hinsetzen, bitte noch mal neu drangehen.“ Wir möchten nämlich, dass unser Material zurückkommt und es auch den gesamten Kreislauf unbeschadet durchschritten hat.

Und da gehört natürlich, wie Sie das völlig richtig sagen, nicht nur der Handel dazu, sondern auch zum Beispiel die Sortier- und die Verwertungsindustrie. Denn am Ende der Verwertungsindustrie ist ja aus dem vormaligen Begriff des Abfalls wieder ein wertvoller Rohstoff geworden. Und diesen Rohstoff wollen wir dann wieder neu einsetzen.

Das ganze Interview im packaging journal TV Talk

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Die „smarte Verpackung“ ist eine dieser großen Zukunftsvisionen, die Sie mit dem digitalen Wasserzeichen bereits auf einigen Produkten einsetzen. Mit welchen Erfahrungen bisher?

Ja, wir haben das bei einer Reihe von Produkten schon im Einsatz. Jedes Mal, wenn wir ein neues Artwork machen, wird inzwischen das Holy-Grail-Wasserzeichen eingesetzt. Es ist interessant: Die ursprüngliche Intention, dieses Wasserzeichen für die Sortierung in Abfallstrom zu nutzen, hat dazu geführt, dass andere sich gefragt haben: Was kann man noch mit einem digitalen Wasserzeichen machen? Und das Spannende für mich war eigentlich, dass es auf einmal für andere Anwendungen weitergedacht wurde. Man stellte sich beispielsweise vor, dass ein unsichtbares Wasserzeichen beim Auschecken an der Kasse genutzt werden kann. Und so wurde auf einmal der Kreis der Unterstützer von ganz ungewohnter Seite deutlich größer. Und ich bin ich recht zuversichtlich, dass die digitalen Wasserzeichen noch an anderer Stelle weitere Funktionen finden werden.

Ein weiteres, viel genutztes Schlagwort in Sachen Zukunft der Verpackung ist „Design 4 Recycling“. Wo sehen Sie da noch Nachholbedarf?

Wir sind seit einigen Jahren mit hoher Intensität dran, die Materialien alle so zu gestalten, dass sie mit bestehenden Verfahren einwandfrei recyclingfähig sind. Das führt in der Regel dazu, dass man aus Mehrkomponentenmaterialien Monomaterialien macht oder dass man das eingesetzte Material reduziert. Oder aber zu überlegen, brauchen wir Farbe oder nicht? Denn man weiß genau, je mehr Farbe ich rein mache, umso schwieriger wird es natürlich im Recyclingprozess. Und eine Farbe dient nicht unbedingt dazu, die Stabilität eines Materials zu verbessern.
Seit Herbst 2020 tragen die Lenor Wäscheparfum-Flaschen von P&G auf ihren Etikett-Banderolen digitale Wasserzeichen. (Bild: P&G)

Was können kleinere Hersteller von Ihnen lernen? Oder ist es vielleicht sogar andersherum, und Sie lernen von den Kleinen?

Also ich schaue immer sehr genau, was denn die Kleinen mit neuen Ideen machen, die sogenannten Start-ups. Da sind ganz viele clevere Leute unterwegs. Dass jemand klein ist, liegt in der Natur der Sache, denn jeder braucht einen ersten Schritt, und manchmal braucht es nur eine tolle Idee von einer Person, damit man das Ganze voranbringen kann. Das ist das eine.

Allerdings muss man dann auch sagen, dass nicht alle Ideen von Kleinen innovativ sind. Das ist auch ein Teil meiner Arbeit, diese Dinge voneinander zu trennen. Aber ich würde mal sagen, bei zehn tollen Ideen ist im Regelfall eine gute dabei, die es dann auch wert ist, weiterverfolgt zu werden, und vielleicht durch uns oder durch andere unterstützt zu werden, um sie größer zu machen.

Und was umgekehrt die Kleinen von den Großen lernen können, ist, dass Dinge funktionieren können, die man nicht für möglich gehalten hat. Wenn man Mehraufwand betreibt, um erfolgreich einen ersten Schritt in eine andere Richtung zu gehen. Das sehe ich momentan an sehr vielen Stellen, und ich betrachte es immer als eine gewisse Ehre, wenn man sieht, dass andere eine Idee, die man selbst auf den Markt bringt, kopieren. Das zeigt mir doch, wir haben nicht alles verkehrt gemacht.

Dann wünsche ich Ihnen, dass Sie noch ganz oft kopiert werden, einfach der Wertschätzung wegen. Und gute von schlechten Ideen trennen ist ja auch eine Form von Mülltrennung. Zum Ende lassen Sie uns nochmal zwei Produkte aus dem großen P&G-Bereich herausnehmen. Wie sieht zum Beispiel beim Shampoo die Verpackung der Zukunft aus?

Da erleben wir gerade, wie man etwas komprimieren kann: Es gibt feuchte Substanzen, aber auch trockene Substanzen. Ähnlich ist es bei den Waschmitteln auch. Da ist dann die Frage, honoriert das der Kunde? Geht er mit oder erwartet er bei bestimmten Produktkategorien, dass es eine Zeit des Übergangs gibt? Das geht an vielen Stellen nicht von heute auf morgen. Und da haben wir auch schon in einigen Märkten oder in einigen Ländern Lehrgeld bezahlt.

Und es sind natürlich auch Materialveränderungen denkbar. Wir haben vor einiger Zeit gesagt, dass wir zum Beispiel Flaschen, die heutzutage aus Kunststoff sind, aus nachwachsenden oder aus faserbasierten Materialien herstellen wollen. Wenn das einfach wäre, hätte das schon längst jemand gemacht. Aber wir trauen uns zu, dass man an der Stelle noch ganz viel neu entwickeln und entdecken kann. Daher haben wir dort einen starken Forschungsansatz. Ich bin optimistisch, dass wir noch eine ganze Menge interessanter Lösungen auch für Shampoos und flüssige Seifen finden werden.

Ein anderes wichtiges Produkt aus der großen P&G Welt ist die Zahnpasta. Die Tube aus Holz funktioniert sicher nicht …

Was wir über die Jahre gemacht haben: Wir hatten mehrlagige Tuben, die schlecht zu recyceln waren. Wir haben uns dann gefragt: Was muss passieren, damit der gleiche Zahnpastainhalt genauso gut von unserem Fertigungswerk durch den Supermarkt zum Endkunden gebracht werden kann, ohne dass es Verluste gibt? Das war nicht gerade einfach, aber wir haben Lösungen gefunden, und dementsprechend können wir jetzt sagen, dass alle unsere Zahnpastatuben aus der Klasse von „nicht recyclingfähig“ auf einmal in die Klasse der recyclingfähigen gehen. Und ich bin guter Dinge, dass eine ganze Menge von den Tuben, die wir vorher in den Markt gebracht haben, auch als Rohmaterial ihren Weg dann in die neuen Tuben zurückfinden.

Erschienen in packaging journal 7/2021

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